b R a S I l I E n Crossing Borders 1/2023 dass es sich um einen Anwalt handelt, der Erfahrung mit grenzüberschrei- tenden und einhergehend auch mit in- terkulturellen Geschäften hat, damit er die Gespräche erleichtert und nicht er- schwert. Hoffen Sie darauf, dass – auch hier sprechen wir wieder vom Mittel- stand – die brasilianische Seite, sofern und wenn sie einen Anwalt mitbringt, Erfahrung mit dieser Art von Geschäft hat. Man kann unmöglich wissen, ob das der Fall ist, und es besteht auch nicht die Möglichkeit einzugreifen. Oft handelt es sich bei den Personen, die hinzugezogen werden, um Berater in lokalen Angelegenheiten, die über wenig Erfahrung in internationalen Fragen verfügen, was zumindest ein gewisses Maß an Zeit und Geduld bei der Führung der Gespräche und dem Abschluss des Geschäfts erfordert. Komplexität und Kosten Brasilien ist ein bürokratisches Land, das seine Eigenheiten hat. Dieser Komplexität begegnet man mit Pla- nung und angemessener Beratung von Beginn an. Nachdem die deut- sche Partei gelernt hat, wie Brasilien funktioniert, kann die Unterstützung durch Berater reduziert werden, und es kann für das Tagesgeschäft sogar auf Dienstleistungen mit angemesse- neren Kosten zurückgegriffen werden. Aber bis dahin sollten Sie bereit sein, die erforderlichen Kosten für die von Ihnen benötigten Dienstleistungen zu übernehmen. In Brasilien Geschäf- te zu machen ist nicht kostengünstig. Neben kulturellen Fragen, die es auch in jedem anderen Land gibt, muss man hier in Brasilien für die Konkretisie- rung der Geschäfte und folglich für die Betreuung durch Berater wahrschein- lich ein wenig mehr Zeit veranschla- gen als in anderen Ländern. Verzich- ten Sie nicht auf die Planung und seien Sie tolerant in Bezug auf ein geringeres Maß an Objektivität und das Hin und Her in Diskussionen, das Sie in Brasi- lien wahrscheinlich vorfinden werden, sowie auch dann, wenn mal über erns- te Fragen Späße gemacht werden. Deutscher Freund Vorsicht ist dabei geboten, Deutsche oder Europäer, die bereits seit einiger Zeit in Brasilien leben, als Geschäfts- berater hinzuzuziehen. Mit Sicherheit wird es Ihnen leichter fallen, sich mit diesen als mit einem Brasilianer zu identifizieren. Vertrauen Sie ihm „mit einem gewissen Misstrauen“, das heißt, vertrauen Sie ihm nicht blind und minimieren Sie die Wirkung der Tat- sache, dass es sich bei ihm um einen Landsmann gleicher oder ähnlicher Herkunft handelt. In der Mehrzahl der Fälle sind die daraus resultierenden Probleme kein böser Wille. Meistens glauben derartige Berater selbst, dass sie Fachleute für Brasilien geworden, fähiger als Brasilianer sind, alles über Brasilien wissen und zusätzlich noch ihre europäische Herkunft und Erfah- rung haben. In den vielen Jahren, in denen ich in diesem Bereich tätig bin, habe ich schon so einige Desaster sol- cher Berater miterlebt. Korruption und Geschäfte Leider hat Brasilien nicht den besten Ruf der Welt, und seine Geschichte ist nicht gerade hilfreich. Internatio- nale Veröffentlichungen mit Indizes zur Korruption helfen ebenfalls nicht wirklich. Das bedeutet aber nicht, dass man in Brasilien keine Geschäfte ohne Korruption machen kann. Wir kön- nen nicht garantieren, dass keine Situ- ationen mit Korruptionspotential auf- tauchen, wir raten Investoren jedoch dringend davon ab, diese zu akzep- tieren. Es mag mehr Arbeit erfordern und eventuell auch kostenaufwendiger sein, die gesetzlichen Vorschriften ein- zuhalten, aber wir können aufgrund unserer langjährigen Erfahrung be- stätigen, dass Geschäfte in Brasilien auch ohne Korruption durchführbar sind. Nutzen Sie die Compliance- und Governance-Instrumente, um gute Geschäfte abzuschließen, auch intern und mit privaten Partnern. Geschäftsumfeld Insbesondere bei komplexeren Ge- schäften wie bei einem Firmenkauf, aber nicht nur bei diesem, ist es nicht Teil unserer Kultur, direkt zur Sache zu kommen. Zeit ist Geld, doch in Brasi- lien hat das kulturelle Ritual Vorrang. Instinktiv bemüht man sich um Wege, um ein angenehmeres Umfeld für den Beginn der Diskussionen zu schaffen. Es ist nicht üblich, Präsenzbespre- chungen zu beginnen, ohne zunächst über allgemeine Themen zu sprechen. Gespräche über Fußball, Verkehr, Fa- milie, Reisen und anderes mehr sind Teil des „Aufwärmens“. Es ist keine Strategie, sondern ein Brauch, der es auch erlaubt, sich in einer Gruppe mit den Charakteristika der betreffenden Akteure – offen, nüchtern, engagiert, dickköpfig und redselig – zu identi- fizieren. In sich wiederholenden Be- sprechungen, in denen sich alle Teil- nehmer bereits kennen, kann man dabei die „Temperatur“ des Umfelds, vor allem bei der Wiederaufnahme von heiklen Punkten, messen oder sich auf sensible Fragen einstimmen. 28 Juni 2023