Abwerbung von Kunden in Frankreich
Die rechtswidrige Abwerbung von Kunden eines Unternehmens durch ein anderes Unternehmen („détournement de clientèle“) ist in Frankreich ein sehr praxisrelevantes Thema. Sehr oft werden solche unerlaubten Handlungen durch ehemalige Mitarbeiter des geschädigten Unternehmens vorgenommen. Dies kann insbesondere dann zu einer Haftung führen, wenn die rechtswidrige Abwerbung im Rahmen der Insolvenz der Gesellschaft, deren Kunden abgeworben werden, geschieht oder wenn diese Abwerbung eine bereits bestehende Insolvenzsituation der Gesellschaft verschärft.
1. Abwerbung von Kunden in Frankreich – welche rechtlichen Voraussetzungen bestehen?
Einem ehemaligen Arbeitnehmer ist es grundsätzlich zwar erlaubt, sein Wissen und seine Fähigkeiten im Rahmen seiner neuen Beschäftigung einzusetzen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass er dabei keine unlauteren Wettbewerbshandlungen vornimmt.
Die Abwerbung von Kunden der Konkurrenz kann unter bestimmten Umständen strafbar sein, wenn gegen Regelungen des französischen Wettbewerbsrechts verstoßen wird, zum Beispiel durch unerlaubte Aneignung bestimmter Kundendaten oder falls die Abwerbung unter Anwendung
unlauterer Wettbewerbshandlungen geschieht. Das Vorliegen einer wettbewerbsverletzenden Handlung muss vor Gericht natürlich bewiesen werden. Die Erbringung entsprechender Beweise ist für das geschädigte Unternehmen nicht immer ganz einfach.
Beispiel aus der Rechtsprechung:
Folgendes Urteil eines Berufungsgerichts wurde vom französischen Kassationsgerichtshof aufgehoben, da das Berufungsgericht Beweise für das Vorliegen von unlauteren Wettbewerbshandlungen nicht angemessen gewürdigt hatte (Com. 01.06.1999, n°97-15421).
Sofort nach der Gründung einer konkurrierenden Gesellschaft durch den ehemaligen Geschäftsführer der in Konkurrenz stehenden Gesellschaft hatten 3 Arbeitnehmer, die über genaue Kenntnisse der gewerblichen Tätigkeiten der in Konkurrenz stehenden Gesellschaft verfügten, diese Gesellschaft verlassen, um für die neue Gesellschaft des ehemaligen Geschäftsführers tätig zu werden. Dort übten diese kaufmännische Funktionen aus und nutzten ihr Wissen über die Kundschaft ihres ehemaligen Arbeitgebers. Zwei dieser Arbeitnehmer erwarben sogar Kapitalanteile der neuen Gesellschaft bevor sie überhaupt für diese tätig wurden. Diese Umstände wurden als Beweis für eine mögliche Abwerbung und somit das Vorliegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht vorgebracht.
Hierin sah das Berufungsgericht jedoch keinen Beweis für das Vorliegen schuldhafter unlauterer Wettbewerbshandlungen der drei Arbeitnehmer, um Kunden abzuwerben. Die betreffenden Arbeitnehmer waren im Übrigen an keine Wettbewerbsverbotsklausel gebunden. Der Kassationsgerichtshof sah dies jedoch anders und nahm an, dass diese Umstände belegen, dass es sich sehr wohl um unlauteren Wettbewerb gehandelt hatte.
2. Wer kann gegen die Abwerbung von Kunden vorgehen - welche Beweise werden bei unlauteren Wettbewerbshandlungen in Frankreich benötigt?
Die reine Abwanderung von Kunden ist für sich allein genommen noch kein Kriterium für unlauteren Wettbewerb, auch wenn diese von einem ehemaligen Arbeitnehmer ausgeht. Es gibt keinen Rechtsanspruch darauf, die eigene Kundschaft zu behalten. Eine Abwerbung von Kunden ist somit prinzipiell erlaubt, solange keine unlauteren Wettbewerbshandlungen angewandt werden. Die französische Rechtsprechung liefert zahlreiche Beispiele, bei denen eine Abwerbung von Kunden in der Form unlauteren Wettbewerbs angenommen wurde:
- Verunglimpfung oder Anwendung von ungenauen oder falschen Aussagen: Abwerbung von Kunden durch unerlaubte Werbemaßnahmen
Wenn die Abwerbung mit einer Verunglimpfung oder der Angabe von ungenauen oder falschen Aussagen über die Produkte der Konkurrenz einhergeht, liegt ein Fall von unlauterem Wettbewerb vor.
Denn eine unwahre Werbung, in der falsche Aussagen getroffen werden, kann zum Beispiel zu einer Abwerbung von Kunden führen.
- Verwendung von Zeichen einer Konkurrenzfirma, um Verwirrung zu stiften
Eine Abwerbung von Kunden kann auch vorliegen, wenn absichtlich eine Verwechslung zwischen zwei Konkurrenzunternehmen herbeigeführt wird. Dies kann geschehen, indem ein Unternehmen charakteristische Zeichen des Konkurrenzunternehmens verwendet oder diese imitiert.
- Verwendung unrechtmäßig angeeigneter Listen, Kundenlisten, Daten oder anderer Informationen des Konkurrenzunternehmens
Ein französischer Arbeitnehmer, der unrechtmäßig Daten seiner Firma entwendet, kann wegen Untreue und Diebstahl verfolgt werden.
Beispiel:
Ein Arbeitnehmer nimmt Kundendaten (Namen und Adressen) von Personen, die den ehemaligen Arbeitgeber kontaktiert hatten, mit der Absicht mit, sich selbstständig zu machen und dessen Kunden abzuwerben indem er Ihnen günstigere Angebote unterbreitet.
Im Gegenzug macht sich ein ehemaliger Arbeitnehmer nicht strafbar, wenn er Dokumente bei sich behält, die nicht vertraulich sind. Zum Beispiel kann ein ehemaliger Arbeitnehmer „Kundentarife“ mitnehmen, da diese keinen vertraulichen Charakter haben.
Es kann einem ehemaligen Arbeitnehmer im Einzelfall ebenfalls erlaubt sein, ein Adressbuch zu behalten, wenn der ehemalige Arbeitnehmer diese Daten aufgrund seines langen Angestelltenverhältnisses ohnehin kennen musste.
- Abwerbung durch Begründung einer Verwechslungsgefahr zwischen zwei Unternehmen
Es ist nicht erlaubt, eine Verwechslungsgefahr zwischen zwei Unternehmen herbeizuführen, insbesondere wenn dies in sehr eindeutiger Absicht geschieht.
- Systematische Abwerbung von Kunden
In der Rechtsprechung wird oftmals der „systematische“ Charakter im Zuge der Abwerbung von Kunden hervorgehoben, um eine mögliche Schuld zu beweisen; wenn also ehemalige Arbeitnehmer ihr bei der ehemaligen Firma erworbenes Wissen und Know-how verwenden, um systematisch Kunden abzuwerben oder wenn die Abwerbung in Verbindung mit der Kündigung von Verträgen eines Arbeitnehmers mit der ehemaligen Firma steht.
- Verlassen des Unternehmens durch einen Arbeitnehmer oder Mitarbeiter und gleichzeitiges Abwandern von Kundschaft
Das Verlassen des Unternehmens durch einen Arbeitnehmer bei gleichzeitiger Abwanderung von Kundschaft kann ein Hinweis für unlauteren Wettbewerb sein, ist aber noch kein Beweis hierfür.
Die alleinige Abwerbung von Kunden reicht jedenfalls noch nicht aus, um unlauteren Wettbewerb zu belegen.
Entsprechend hat der französische Kassationsgerichtshof über folgenden Sachverhalt entschieden:
Die Anstellung von neuen Arbeitnehmern durch die Gesellschaft A hatte zum Zweck, die konkurrierende Gesellschaft B zu desorganisieren und deren Kundschaft abzuwerben. Dieses Ergebnis trat ein und der Gesellschaft A war es somit möglich, etwa 66% des Umsatzes der Gesellschaft B abzuwerben.
Obwohl festgestellt wurde, dass die Anstellung von Arbeitnehmern darauf abgezielt hatte, die konkurrierende Gesellschaft zu desorganisieren wurde lediglich ein reines Abwandern der Kundschaft, und somit kein Wettbewerbsverstoß, festgestellt.
Auf ähnliche Weise entschied der Kassationsgerichtshof im Rahmen eines weiteren Urteils (arrêt n° 99-21758 du 3.12.2002), dass ein Verschulden des ehemaligen Arbeitnehmers nicht aufgrund der alleinigen Tatsache vorliegt, dass einige Kunden zu einem Gesellschafter einer neuen Gesellschaft abwandern, mit dem sie zuvor bei dessen alter Gesellschaft in Kontakt standen.
- Unrechtmäßige Preise (Dumpingpreise)
Prinzipiell gilt im Rahmen der Wettbewerbsfreiheit ebenfalls Preisbildungsfreiheit. Unlauterer Wettbewerb kann jedoch dann vorliegen, wenn die Abwerbung von Kunden mit einer systematisch niedrigeren Preispolitik im Vergleich zur Konkurrenz einhergeht (Preisdumping).
- Abwerbung von Kunden durch einen ehemaligen Arbeitnehmer oder Mitarbeiter der Firma
Während des Bestehens eines Arbeitsvertrages:
Während eines bestehenden Arbeitsvertrages ist der Arbeitnehmer an seinen Arbeitgeber durch ein Wettbewerbsverbot gebunden, das bis Beendigung des Arbeitsvertrages gilt. Diese Verpflichtung verbietet es dem Arbeitnehmer jedoch nicht, eine zukünftige konkurrierende Tätigkeit vorzubereiten solange er keine Handlung des unlauteren Wettbewerbs vornimmt.
Nach Beendigung eines Arbeitsvertrages:
Nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer, sofern er nicht an ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gebunden ist, die Kundschaft seines ehemaligen Arbeitgebers abwerben, wenn dies entsprechend den allgemeinen Regeln des Wettbewerbsrechts geschieht. Es ist dem ehemaligen Arbeitnehmer beispielsweise erlaubt, einen Rundbrief an die Kundschaft seines ehemaligen Arbeitgebers zu senden, um seinen Adresswechsel kund zu tun.
Sollte ein Kunde den ehemaligen Arbeitnehmer anrufen und wünschen, mit dessen ehemaligem Arbeitgeber in Kontakt zu treten, so darf der ehemalige Arbeitnehmer allerdings keine Informationen über seinen ehemaligen Arbeitgeber verweigern oder falsche Informationen über diesen verbreiten.
- Abwerbung durch auf die Kundschaft der Konkurrenz angewandte Druckmittel
Wenn die Kundschaft sich nicht mehr aus freien Willen an das Unternehmen ihrer Wahl wenden kann, so liegt ebenfalls der Tatbestand des unlauteren Wettbewerbs vor.
3. Welche Sanktionen haben die betroffenen Unternehmen in Frankreich zu erwarten?
Zur Beantwortung dieser Frage und wie Sie konkret handeln können lesen Sie bitte unseren Artikel über unlauteren Wettbewerb.
Falls Sie hierzu weitere Informationen wünschen, steht Ihnen unsere Kanzlei jederzeit gerne zur Verfügung.