Verträge, bei denen die Erfüllung von dem Eintritt eines ungewissen Ereignisses abhängt (aleatorische Verträge) nach französischem Recht: Welche Folgen hat das Fehlen eines ungewissen Ereignisses am Tag des Vertragsabschlusses?
Nach französischem Recht wird ein sogenannter aleatorischer Vertrag („contrat aléatoire“) als ein Vertrag definiert, in dessen Rahmen die Parteien vereinbaren, dass die Wirkung des Vertrags in Bezug auf die sich daraus ergebenden Vorteile und Verluste von einem ungewissen Ereignis abhängig ist (Artikel 1108 Absatz 2 des französischen Zivilgesetzbuchs).
Hierbei handelt es sich insbesondere um Versicherungsverträge, Wetten oder Leibrenten.
In einer Entscheidung vom 6. Mai 2021 hat der französische Kassationsgerichtshof darauf hingewiesen, dass das Fehlen des ungewissen Ereignisses (d.h. der Ungewissheit in Bezug auf das Eintreten eines Ereignisses) am Tag des Abschlusses eines Versicherungsvertrags, den Versicherten der damit verbundenen Garantie beraubt (frz. Kassationsgerichtshof, 2. Zivilkammer, 6. Mai 2021, Nr. 19-25.395).
Im vorliegenden Fall hatte eine Person in Frankreich ein Auto per Leasing-Vertrag mit Kaufoption erworben, der am 20. September 2012 abgeschlossen wurde.
Am 25. Mai 2013 hatte der Käufer für diesen Leasing-Vertrag eine Versicherung abgeschlossen.
Da der Käufer sich das rechte Knie verstaucht hatte, war er seit dem 18. Februar 2013 arbeitsunfähig gemeldet. Am 12. September 2014 wurde der Käufer aus demselben Grund erneut krankgeschrieben und verklagte den Verkäufer und den Versicherer auf Zahlung der monatlichen Kreditraten, die dem Zeitraum seiner Arbeitsunfähigkeit entsprachen.
Um die Klage abzuwehren argumentierte der Versicherer, dass es sich bei dem Versicherungsvertrag um einen aleatorischen Vertrag handle und dieser nicht ein Risiko abdecken könne, das für den Versicherten zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits eingetreten sei.
Das französische Berufungsgericht gab dem Klageantrag des Versicherten zunächst dennoch statt. Es stellte fest, dass der Versicherer sich nur dann auf die fehlende Deckung eines Risikos, von dem der Versicherte bereits wusste, dass dieses eingetreten war, berufen könne, wenn er die Nichtigkeit des Versicherungsvertrags aus diesem Grund beantrage. Dies hatte der Versicherer aber nicht getan.
Mit seinem Revisionsurteil hat der französische Kassationsgerichtshof nunmehr die Grundsätze der Funktionsweise eines aleatorischen Vertrags klargestellt. Er stellte fest, dass der Versicherungs-Begünstigte die Abdeckung eines durch den Vertrag eigentlich versicherten Risikos verliert, ohne dass es erforderlich ist, dass der Versicherer die Nichtigkeit des Vertrags geltend macht, wenn wie vorliegend am Tag des Abschlusses des Versicherungsvertrags keine Ungewissheit in Bezug auf eines der vom Vertrag abgedeckten Risiken bestand (da dieses Risiko bereits eingetreten war). Im vorliegenden Fall hatte der Versicherte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags bereits Kenntnis von seiner Krankheit, da er zuvor bereits eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingereicht hatte.
Für weitere Informationen stehen Ihnen unsere deutsch-französischen Rechtsanwälte selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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