Anwendung von UN-Kaufrecht auf Regressklagen eines Letztverkäufers gegen seinen Lieferanten
Nach Artikel 39 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (UN-Kaufrecht) vom 11. April 1980 (nachstehend „CISG“ genannt) gilt Folgendes:
„(1) Der Käufer verliert das Recht, sich auf eine Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, wenn er sie dem Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Zeitpunkt, in dem er sie festgestellt hat oder hätte feststellen müssen, anzeigt und dabei die Art der Vertragswidrigkeit genau bezeichnet.
(2) Der Käufer verliert in jedem Fall das Recht, sich auf die Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, wenn er sie nicht spätestens innerhalb von zwei Jahren, nachdem ihm die Ware tatsächlich übergeben worden ist, dem Verkäufer anzeigt, es sei denn, dass die Frist mit einer vertraglichen Garantiefrist unvereinbar ist.“
Im Februar 2021 hat der französische Kassationsgerichtshof ein Urteil zur Anwendung des CISG und insbesondere von Artikel 39 auf einen von einem Letztverkäufer geltend gemachten Regressanspruch gegen den ursprünglichen Lieferanten gefällt (Frz. Kassationsgerichtshof, Kammer für Handelssachen, 3. Februar 2021, Nr. 19-13.260).
Im vorliegenden Fall betraf das Urteil des französischen Kassationsgerichtshofs eine italienische Gesellschaft, die Fliesen an eine französische Gesellschaft geliefert hatte. Letztere hat diese an einen französischen Verbraucher weiterverkauft, der daraufhin die vertragliche Haftung des Letztverkäufers wegen einer Vertragswidrigkeit geltend machte.
Der französische Wiederverkäufer hat daraufhin gegen seinen italienischen Lieferanten Rückgriff genommen, und zwar unter Zugrundelegung der Bestimmungen des italienischen Verbrauchergesetzbuches in Anwendung der Richtlinie 1999/44/EG vom 25. Mai 1999. Diese Klage wurde von den Vorinstanzen als zulässig erachtet.
Der ursprüngliche Lieferant hat anschließend Revision eingelegt und die Zulässigkeit des Regressanspruchs angefochten, indem er sich auf Artikel 39 des CISG berief, in dem festgelegt wird, dass der Käufer das Recht verwirkt, sich gegenüber dem ursprünglichen Verkäufer auf eine Vertragswidrigkeit zu berufen, wenn er diese nicht spätestens innerhalb einer Frist von zwei Jahren ab dem Datum, an dem ihm die Ware tatsächlich übergeben wurde, anzeigt.
Der französische Kassationsgerichtshof hat auf die Zulässigkeit der Rückgriffsklage die Richtlinie Nr. 1999/44/EG angewandt, welche festlegt, dass der Letztverkäufer gegenüber dem Verbraucher im Falle einer Vertragswidrigkeit haftet, wenn diese einer Handlung oder einer Unterlassung des Herstellers, eines Zwischenhändlers, der Teil derselben Vertragskette ist, oder einer jedweden anderen zwischengeschalteten Person zuzuschreiben ist. Der Letztverkäufer ist berechtigt, seinerseits rechtliche Schritte gegen den oder die Verantwortlichen aus der genannten Vertragskette zu ergreifen. In diesem Zusammenhang hat der Kassationsgerichtshof bestätigt, dass die Vorinstanzen umfassend geprüft hatten, dass es das im vorliegenden Fall anwendbare italienische Recht dem französischen Wiederverkäufer ermöglicht, gegen einen jedweden Verantwortlichen, der zur selben Vertriebskette gehört wie er, vorzugehen.
Zur Anwendung des CISG (und insbesondere von Artikel 39) auf Rückgriffsklagen hat der französische Kassationsgerichtshof jedoch festgestellt, dass bei einem Regress eines Letztverkäufers gegen seinen Lieferanten durchaus die Bestimmungen des CISG anwendbar sind. Demzufolge gilt das Recht, sich auf eine Vertragswidrigkeit zu berufen, im vorliegenden Fall als verwirkt, da der Wiederverkäufer seinem Lieferanten diese Vertragswidrigkeit mehr als zwei Jahre nach Lieferung der Waren angezeigt hatte.
In Anbetracht dieser Rechtsprechung und angesichts des kraft Artikel 39 des CISG eingeführten Vorgehens scheint es bei der Anwendung der CISG zwingend erforderlich zu sein, sämtliche gelieferten Waren schnellstmöglich zu prüfen und sich umgehend bzw. spätestens innerhalb von 2 Jahren ab Warenlieferung auf jedwede Vertragswidrigkeit zu berufen, und zwar ungeachtet einer eventuell vom Verbraucher gegen den Letztverkäufer erhobenen Klage.
Für weitere Informationen stehen Ihnen unsere deutsch-französischen Rechtsanwälte selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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