Bestellung eines Arbeitnehmers in eine geschäftsführende Position in Frankreich: Was geschieht mit dem Arbeitsvertrag?
Die gleichzeitige Ausübung eines gesellschaftsrechtlichen Mandats als Geschäftsführer und einer Arbeitnehmerfunktion ist in einer vereinfachten französischen Aktiengesellschaft (société par actions simplifiée - SAS) (oder einer anderen Kapitalgesellschaft französischen Rechts) wirksam möglich, sofern der Arbeitsvertrag einem tatsächlichen Beschäftigungsverhältnis entspricht und folgenden Kriterien erfüllt:
- Ausübung von der Geschäftsführung unterscheidbaren Funktionen (in Vertrieb, R&D, Personalwesen o.ä.)
- Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses
- Gewährung einer separaten Vergütung.
In einem Urteil Nr. 19-02034 vom 14. September 2021 hat das Berufungsgericht (Cour d'appel; entspricht dem deutschen Oberlandesgericht) Paris diese Grundsätze erneut angewendet. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall wurde ein Verein in eine vereinfachte Aktiengesellschaft mit einem Alleingesellschafter (SAS unipersonnelle - SASU) umgewandelt. Der unbefristete Arbeitsvertrag einer Mitarbeiterin des Vereins, die dort seit mehr als 20 Jahren und zuletzt als Leiterin tätig war, wurde auf die SASU übertragen. Die Betroffene wird danach zum Mitglied und später zur Vorsitzenden des bei der SAS eingerichteten Vorstands ernannt, ohne dass durch die Hauptversammlungen eine Aussetzung ihres Arbeitsvertrags beschlossen wird.
Dreizehn Jahre später wird der Vorstand durch eine Einzelgeschäftsführung ersetzt und die Mitarbeiterin ihres Mandats als Vorsitzende des Vorstands enthoben, wobei ihr zeitgleich mitgeteilt wurde, dass sie ihren Arbeitsvertrag als Leiterin weiterhin erfüllen solle, was auch geschieht. Im selben Jahr wird die Mitarbeiterin jedoch entlassen, und ein Streit entsteht bezüglich der Berechnung der Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiterin, welche insbesondere für die Kündigungsentschädigung relevant ist. Die SASU argumentierte, dass der Arbeitsvertrag der Mitarbeiterin im Rahmen der Übernahme des gesellschaftsrechtlichen Mandats als Vorstandsvorsitzende der SAS ausgesetzt worden sei.
In seinem o.g. Urteil folgt das Berufungsgericht dieser Argumentation nicht und führt folgendes aus:
- Da der Arbeitsvertrag bereits vor der Ernennung zum Vorstandsmitglied bestand, obliegt es der Gesellschaft nachzuweisen, dass der Arbeitsvertrag durch die Bestellung beendigt oder ausgesetzt wurde.
- Im vorliegenden Fall liegt aufgrund folgender Umstände keine Aussetzung des Arbeitsvertrags vor:
- Das Unternehmen konnte nicht nachweisen, dass die Mitarbeiterin in der Funktion, die sie als Arbeitnehmerin ausübte, ersetzt worden war. Darüber hinaus belegten zahlreiche Zeugenaussagen, dass sie auch nach ihrer Bestellung zur Vorstandsvorsitzenden Vertriebs- und Ausbildungsaktivitäten fortgesetzt hatte, die sich klar von den Tätigkeiten, die in den Zuständigkeitsbereich des Vorstands fielen, unterscheiden ließen.
- Der Alleinaktionär der Gesellschaft übte eine weitgehende Kontrolle der Tätigkeit der Mitarbeiterin aus, die sich nicht auf vereinzelte Eingriffe beschränkte. Dies wurde durch Berichte der Mitarbeiterin an den Aktionär belegt, in denen sie um Genehmigungen oder Anweisungen bat, sowie durch Anweisungen des Aktionärs im kaufmännisch-technischen Bereich.
- Die Mitarbeiterin erhielt für ihre Tätigkeit als Vorstandsvorsitzende keine Vergütung; aus ihren Gehaltsabrechnungen ging hervor, dass die Struktur ihrer Vergütung trotz Übernahme des gesellschaftsrechtlichen Mandats nicht geändert worden war (Hinweis hierzu: Die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer, der in eine Geschäftsführerposition bestellt wird, weiterhin die gleiche Vergütung wie zuvor erhält, lässt allein nicht den Schluss zu, dass sein Arbeitsvertrag weiterhin fortbesteht (Urteil des Kassationsgerichthofs vom 4. November 1988)).
Angesichts der finanziellen Auswirkungen einer Kumulierung Arbeitsvertrag-Geschäftsführerstellung insbesondere im Falle einer Trennung ist es wichtig, sich im Vorfeld einer Bestellung konkret darüber Gedanken zu machen, ob und wie eine solche Doppelstellung beibehalten werden soll.
Für weitere Informationen stehen Ihnen unsere deutsch-französischen Rechtsanwälte selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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