Französische Haftungsregeln für Zahlungsdienste: Stellungnahme des EuGH zur Vereinbarkeit mit EU-Recht
Im Rahmen einer Frage zur Vorabentscheidung hat der Europäische Gerichtshof kürzlich entschieden zur Vereinbarkeit der Haftungsregelung der Richtlinie (EU) 2007/64 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt (abgekürzt „ZaDiRL“ (Zahlungsdiensterichtlinie) bzw. „PSD“ (Payment Services Directive)) mit den Regeln des allgemeinen Zivilrechts in Frankreich (EuGH, 2. September 2021, Nr. C-337/20, Caisse régionale de Crédit agricole mutuel (CRCAM) – Alpes-Provence).
Der Fall wurde dem EuGH im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Geschäftsführerin einer französischen Gesellschaft und ihrem Bürgen sowie einer französischen Bank und dem Bürgen vorgelegt.
Die französische Bank hatte der Gesellschaft einen Dispokredit gewährt, der durch eine gesamtschuldnerische Bürgschaft gesichert war. Nachdem die Bank diesen Dispokredit gekündigt hatte, verklagte sie den Bürgen auf Zahlung. Der Bürge machte hiergegen geltend, dass die Bank aufgrund ungenehmigter Überweisungen an Dritte einen Fehler begangen habe und dass der Betrag dieser fehlerhaften Überweisungen daher von der Forderung abgezogen werden müsse.
Vor dem französischen Kassationsgerichtshof trugen die Geschäftsführerin der französischen Gesellschaft und der Bürge Folgendes vor: Die Bestimmungen der PSD-Richtlinie würden es zwar ausschließen, dass eine Gesellschaft als Schuldnerin ein Kreditinstitut in Haftung nimmt, das ungenehmigte Zahlungsvorgänge ausgeführt hat, jedoch hindere die Richtlinie den Bürgen nicht daran, aufgrund desselben Sachverhalts gegen das Kreditinstitut Haftungsansprüche geltend zu machen, wenn das nationale Recht solche Ansprüche grundsätzlich zulässt.
Vor diesem Hintergrund hat der französische Kassationsgerichtshof den EuGH mit folgenden zwei Fragen zur Vorabentscheidung angerufen (Cass. com., 16. Juli 2020, Nr. 17-19.441):
- Sind die Bestimmungen der PSD-Richtlinie vollständig harmonisiert, so dass die Mitgliedstaaten keinerlei Spielraum bezüglich der Haftung der Parteien eines Zahlungsvorgangs haben?
- Betreffen diese Bestimmungen auch das Verhältnis zwischen einem Bürgen einerseits, der für die Schulden des Schuldners gegenüber dem Gläubiger bürgt, und dem Gläubiger andererseits?
In seiner Entscheidung vertritt der EuGH die Auffassung, dass ein Nutzer des Zahlungsdienstes, der seiner Verpflichtung zur Anzeige ungenehmigter oder fehlerhaft ausgeführter Zahlungsvorgänge im Sinne von Artikel 58 der Richtlinie 2007/64/EG nicht nachkommt, den Dienstleister zivilrechtlich ausschließlich auf der Grundlage der Artikel 58 und Artikel 60 Absatz 1 der Richtlinie in Haftung nehmen kann.
Der EuGH legt damit den Grundsatz fest, dass die Haftungsregelung für Zahlungsdienstleister im Rahmen der PSD-Richtlinie im EU-Recht abschließend harmonisiert ist.
Der EuGH betont, dass der EU-Gesetzgeber eindeutig festgelegt hat, dass ein Zahlungsdienstleister im Fall einer nicht autorisierten Transaktion nur binnen eines Zeitraums von 13 Monaten seitens des Nutzers dieses Dienstes haftbar gemacht werden kann. Eine etwaige existierende Regelung in einem Mitgliedstaat, die hiervon abweicht, sei mit der PSD-Richtlinie unvereinbar.
Andererseits vertrat der Gerichtshof der Europäischen Union die Auffassung, dass sich die Richtlinie speziell auf die Beziehung zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlungsdienstleister bezieht und nicht auf die Beziehung, die sich aus einem Bürgschaftsvertrag zwischen einem Zahlungsdienstleister und einem Bürgen ergibt. Letztere Beziehung wird weder durch die Bestimmungen der PSD-Richtlinie noch durch eine andere Regelung des EU-Rechts geregelt.
Folglich unterliegt ein solcher Bürgschaftsvertrag weiterhin den Rechten und Pflichten, die sich aus dem anwendbaren nationalen Recht ergeben. Der Bürge eines Zahlungsdienstnutzers kann sich daher auf die zivilrechtliche Haftung des Zahlungsdienstleisters berufen, die sich aus einer nationalen Regelung der vertraglichen Haftung nach allgemeinem Recht ergibt.
Für weitere Informationen stehen Ihnen unsere deutsch-französischen Rechtsanwälte selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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