Gewerbliche Mietverträge in Frankreich: Verweigerung der Vertragsverlängerung und Festsetzung der Nutzungsentschädigung
Nach französischem Recht gilt für Gewerberaummietverträge kraft Artikel L. 145-1 ff. des frz. Handelsgesetzbuchs, dass der Vermieter, der bei Ablauf des Mietvertrags die Vertragsverlängerung verweigert, dem Mieter eine Abfindung in Form einer sogenannten „Besitzentzugsentschädigung“ („indemnité d‘éviction“) zahlen muss (Art. L. 145-14 frz. Handelsgesetzbuch).
Diese Entschädigung soll den Schaden ersetzen, der dem Mieter dadurch entsteht, dass der Gewerberaummietvertrag nicht verlängert wird.
In diesem Zusammenhang hat der Mieter, dessen Mietvertrag nicht verlängert wurde, das Recht, bis zur Zahlung der Besitzentzugsentschädigung in den Räumlichkeiten zu bleiben, sofern er dem Vermieter im Gegenzug eine Nutzungsentschädigung („indemnité d’occupation“) zahlt (Art. L. 145-28 frz. Handelsgesetzbuch).
Mit seiner Entscheidung vom 17. Juni 2021 (Cass. Civ. 3, 17. Juni 2021, Nr. 20-15.296) hat der französische Kassationsgerichtshof den Grundsatz bekräftigt, wonach die Mietobergrenzenregelung (die für die Festlegung des verlängerten oder geänderten Mietvertrags gilt) bei der Berechnung der Nutzungsentschädigung, die der Mieter schuldet, der nach Ablauf des Mietvertrags in den Räumlichkeiten bleibt, nicht zur Anwendung kommt.
In diesem Fall hatte der Vermieter dem Mieter zum 1. Oktober 2011 gekündigt und sich geweigert, den Vertrag zu verlängern und eine Besitzentzugsentschädigung zu zahlen.
Die Wirksamkeit dieser Kündigung mit Verweigerung der Verlängerung der Mietzeit und der Zahlung einer Besitzentzugsentschädigung war in erster Instanz abgewiesen worden. Daraufhin war ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben worden, um die Höhe der dem Mieter zustehenden Besitzentzugsentschädigung zu ermitteln.
Am 13. April 2016 hatte der Vermieter sein sogenanntes Reuerecht („droit de repentir“) ausgeübt und der Verlängerung des Mietvertrags um neun Jahre zugestimmt.
Es stellte sich nun die Frage, wie die Höhe der vom Mieter geschuldeten Nutzungsentschädigung zwischen dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung durch den Vermieter (1. Oktober 2011) und dem Zeitpunkt, zu dem der Vermieter von seinem Reuerecht Gebrauch machte (13. April 2016), zu bestimmen ist.
In seiner Entscheidung vom 15. Januar 2020 setzte das Berufungsgericht Paris die Höhe der Nutzungsentschädigung für den Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis zum 13. April 2016 auf den Mietwert fest.
Der hiermit unzufriedene Mieter legte vor dem frz. Kassationsgerichtshof Revision ein mit der Begründung, dass das Berufungsgericht bei der Festsetzung der Nutzungsentschädigung die Mietobergrenzenregelung (Artikel L. 145-34 frz. Handelsgesetzbuch) hätte anwenden müssen.
Die Mietobergrenzenregelung schützt die Interessen der gewerblichen Mieter. In Artikel L. 145-34 frz. Handelsgesetzbuch ist folgender Grundsatz verankert: „Die Änderungsrate der Miete, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des zu verlängernden Mietvertrags gilt, wenn dessen Laufzeit neun Jahre nicht überschreitet, darf nicht höher sein als die Änderung des vierteljährlichen Indexes für gewerbliche Mieten oder des vierteljährlichen Indexes für Mieten im Dienstleistungssektor, die seit der ursprünglichen Festlegung der Miete für den abgelaufenen Mietvertrag eingetreten ist".
Dieser Grundsatz schützt den Mieter also vor einer Mieterhöhung bei einer Verlängerung seines gewerblichen Mietvertrags.
Mit Entscheidung vom 17. Juni 2021 hat der frz. Kassationsgerichtshof den Grundsatz bekräftigt, den er bereits in einer Entscheidung aus dem Jahre 1978 aufgestellt hatte (Civ. 3, 14. November 1978, Nr. 77-12.032). Danach kommt die Mietobergrenzenregelung, die für die Festlegung des verlängerten oder geänderten Gewerbemietvertrags gilt, bei der Festlegung der Nutzungsentschädigung, die der Mieter schuldet, der nach Ablauf des Mietvertrags in Anwendung von Artikel L. 145-28 frz. Handelsgesetzbuch in den Räumlichkeiten bleibt, nicht zur Anwendung.
Folglich hält der frz. Kassationsgerichtshof die Entscheidung des Berufungsgerichts Paris, wonach die Nutzungsentschädigung nach dem Mietwert der gewerblich genutzten Räumlichkeiten festgesetzt werden muss, für rechtsgültig.
Für weitere Informationen stehen Ihnen unsere deutsch-französischen Rechtsanwälte selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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