Haftung der Vertragsparteien gegenüber Dritten in Frankreich: Durchsetzbarkeit von Haftungsbeschränkungen aus dem Vertrag
In einem bemerkenswerten Urteil vom 3. Juli 2024 hat das französische Kassationsgericht eine Umkehr in seiner Rechtsprechung zur Haftung von Vertragsparteien gegenüber Dritten durchgeführt (frz. Kassationsgericht, Handelskammer, 3. Juli 2024, Nr. 21-14.947).
Bisherige Rechtslage
Das französische Kassationsgericht hatte in seiner früheren Rechtsprechung anerkannt, dass sich ein Dritter auf eine Vertragsverletzung zwischen Vertragsparteien, durch welche (gemeint ist: die Vertragsverletzung) ihm ein Schaden entstand, berufen kann, um einen der Vertragspartner wegen unerlaubter Handlung haftbar zu machen und Schadensersatz von ihm zu verlangen.
Diese für ausländische Beobachter etwas überraschende Lösung wurde durch die Urteile „Boot shop“ (Kassationsgericht, Plenum, 6. Oktober 2006, Nr. 05-13-255) und anschließend durch das Urteil „Bois rouge“ (Kassationsgericht, Plenum, 13. Januar 2020, Nr. 17-19.963) gefestigt.
Diese hatte zur Folge, dass eine erhebliche Rechtsunsicherheit für die Parteien des Vertrages entstand, denn nun konnte eine der Vertragsparteien wegen einer Vertragsverletzung mit Ansprüchen Dritter konfrontiert werden: Dem Dritten konnte der Schuldner der Ansprüche aber nicht die vertraglich vereinbarten Haftungsbeschränkungen entgegenhalten – der Vertrag bestand ja nicht mit dem Dritten.
Der Sachverhalt
Im konkreten Fall, der dem französischen Kassationsgerichtvorlag, hatten zwei Unternehmen im November 2014 einen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen zur Verladung und Entladung von kostspieligen Maschinen, die von einem der beiden Unternehmen hergestellt worden waren, abgeschlossen.
Beim Entladen der Maschinen wurde eine von ihnen beschädigt, als sie von einem Mitarbeiter des Unternehmens, das mit dem Entladen beauftragt war, bewegt wurde.
Das Unternehmen, das die Maschinen hergestellt hatte, wurde von seinem Versicherer entschädigt, der dann in die Rechte seines Versicherten eintrat und seinerseits anschließend das Unternehmen, das mit dem Entladen der beschädigten Maschine beauftragt war, auf Schadensersatz wegen vertraglicher Haftung verklagte.
Um einer zu hohen Verurteilung zu entgehen, wandte das beklagte Unternehmen die Existenz einer haftungsbeschränkenden Klausel ein, die sich aus den Vertragsbedingungen des zwischen den beiden Unternehmen im November 2014 geschlossenen Vertrages ergab.
In der Berufungsinstanz traf der Vorsitzende der Kammer die völlig ungewöhnliche Entscheidung, die Parteien nach den Schlussplädoyers aufzufordern, sich zur deliktischen (und nicht vertraglichen) Natur der vom Versicherer geltend gemachten Ansprüche zu äußern.
In seinem Urteil vom 21. Januar 2021 verurteilte das Berufungsgericht die Schädigerin und lehnte die Anwendung der vertraglichen haftungsbeschränkenden Klauseln ab.
Das so verurteilte Unternehmen legte Revision ein und machte geltend, dass die haftungsbeschränkenden Klauseln, die in der Vertragsbeziehung zwischen den Vertragspartnern galten, einem Dritten, der sich auf eine Verletzung der vertraglichen Verpflichtung aus unerlaubter Handlung beruft, durchaus entgegengehalten werden können und daher vom Berufungsgericht in der Hauptsache in vollem Umfang hätten berücksichtigt werden müssen.
Rechtsprechungsänderung und Auswirkungen auf die Praxis
In seinem Urteil vom 3. Juli 2024 wies das französische Kassationsgericht zunächst auf seine früheren Entscheidungen und auf die Tatsache hin, dass ein Beteiligter, der im Verhältnis zu einem bestehenden Vertragsverhältnis Dritter ist, eine Vertragsverletzung, die ihm einen Schaden zufügte, wegen unerlaubter Handlung geltend machen kann, und stellte klar, dass der Dritte nicht verpflichtet ist, über das Vorliegen der Vertragsverletzung hinaus eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, nachzuweisen, wenn er einen Kausalzusammenhang zwischen der erfolgten Vertragsverletzung – in einem Vertragsverhältnis, an dem er nicht beteiligt war – und dem ihm entstandenen Schaden nachweisen kann.
Zur Frage der Durchsetzbarkeit von haftungsbeschränkenden Klauseln führt das französische Kassationsgericht wie folgt aus:
„Um die Vorhersagen des Schuldners, der sich mit Rücksicht auf die allgemeine wirtschaftliche Struktur des Vertrags verpflichtet hat, nicht zu vereiteln und dem Dritten, der sich auf den Vertrag beruft, keine vorteilhaftere Position zu verschaffen als die, die der Gläubiger selbst geltend machen kann, können einem Dritten im Vertragsverhältnis, der sich auf der Grundlage der deliktischen Haftung auf eine Vertragsverletzung beruft, welche ihm einen Schaden verursacht hat, die Bedingungen und Grenzen der Haftung entgegengehalten werden, die in den Beziehungen zwischen den Vertragspartnern gelten“.
Diese Lösung stellt eine wichtige Entwicklung in der Rechtsprechung dar, deren Auswirkungen in den kommenden Jahren beobachtet werden müssen.
Konkret stellt diese Lösung eine gewisse Rechtssicherheit für Schuldner wieder her, sofern sie in ihre dem französischen Recht unterliegenden Verträge umfassende und wirksame Haftungsbeschränkungen aufnehmen.
Für Dritte hingegen kann diese Lösung in der Praxis zu einem Dilemma führen:
Je nach Sachverhalt muss der Dritte entweder
- ein von der Vertragsverletzung unterschiedliches (d. h. anderes bzw. zusätzlich erfolgtes) Verschulden des Schuldners nachweisen, dessen Beweis sich in der Praxis jedoch oft als schwierig erweist oder
- er muss sich auf die Vertragsverletzung berufen und riskieren, dass ihm vertragliche Haftungsbeschränkungen entgegengehalten werden, von denen er vor der Klageerhebung kaum Kenntnis haben konnte, da er nicht Vertragspartei war.
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