Haftung des Geschäftsführers bei Fortführung eines defizitären Unternehmens in Frankreich
Meldet eine Gesellschaft in Frankreich Insolvenz an, besteht die Gefahr, dass ihr Geschäftsführer haftbar gemacht wird, wenn sich herausstellt, dass bei dem gerichtlichen Insolvenzverfahren seines Unternehmens ein unzureichendes Aktivvermögen festgestellt wird, d. h. dass die Gesellschaft nicht über ein zur Befriedigung der Gläubiger ausreichendes Aktivvermögen verfügt.
Gemäß Artikel L. 651-2 des französischen Handelsgesetzbuches (Code de commerce) besteht dann die Möglichkeit, dass das Gericht den Geschäftsführer des Unternehmens persönlich zur Übernahme von bestehenden Passiva verurteilt. Dies setzt jedoch einen Fehler des Geschäftsführers (faute de gestion) voraus, der zu dieser Unterdeckung beigetragen hat, wobei einfache Fahrlässigkeit nicht ausreicht.
In einem Urteil Nr. 20-15.132 vom 16. September 2021 hat das Berufungsgericht (Cour d'appel; entspricht dem deutschen Oberlandesgericht) Paris entschieden, dass die Fortführung einer verlustbringenden Geschäftstätigkeit über mehrere Jahre hinweg keine einfache Fahrlässigkeit, sondern einen besonders schwerwiegender Geschäftsführungsfehler darstellt. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte der Geschäftsführer über drei Jahre lang hinweg eine verlustbringende Geschäftstätigkeit fortgeführt. Der im Rahmen des Verfahrens festgestellte Betrag der Unterdeckung belief sich auf ca. 800.000 Euro. Das Gericht verurteilte den Geschäftsführer jedoch nur zur Zahlung von 50.000 Euro aufgrund folgender mildernder Umstände:
- Der Geschäftsführer hatte zuvor sein Geschäft über sehr viele Jahre hinweg ordnungsgemäß geführt.
- Zuletzt hatte er persönlich Schulden des Unternehmens beglichen, unter anderem durch den Verzicht auf sein Kontokorrentkonto, in Höhe von insgesamt fast 70.000 Euro.
Das Gericht führte aus, dass der Geschäftsführer die schlechte Lage seines Unternehmens genau kannte, da er mehrere Maßnahmen ergriffen hatte, um zu versuchen, dem Defizit entgegenzuwirken, die jedoch alle zum Scheitern verurteilt waren. Letztendlich hat dem Geschäftsführer seine Sturheit das Genick gebrochen, indem er es versäumte, strukturelle Maßnahmen zu ergreifen, um zu versuchen, die Liquidation seines Unternehmens zu verhindern.
Vorsicht also bei der Fortführung eines strukturell defizitären Unternehmens über mehrere Jahre.
Für weitere Informationen stehen Ihnen unsere deutsch-französischen Rechtsanwälte selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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