Insolvenzverfahren in Frankreich: Verhältnis zwischen Übertragungsplan und Fortsetzung bestehender Geschäftsbeziehungen
Wer in Frankreich mit einem Händler zusammenarbeitet und die bestehende Geschäftsbeziehung beenden möchte, muss eine ausreichend lange Kündigungsfrist einhalten, die je nach Dauer der Geschäftsbeziehung, Abhängigkeitsgrad des Händlers etc. bis zu maximal 18 Monate betragen kann.
Bei Nichteinhaltung einer ausreichenden Kündigungsfrist haftet der kündigende Vertragspartner für den abrupten Abbruch der bestehenden Geschäftsbeziehung („rupture brutale des relations commerciales établies“) und läuft Gefahr, zur Wiedergutmachung des Schadens verurteilt zu werden, welcher der anderen Partei durch die Nichteinhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist entstanden ist (vgl. Artikel L.442-1 Abs. 2 des französischen Handelsgesetzbuchs).
Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens des Vertragspartners (Kaufmann), das in einen Plan zur Übertragung an einen Dritten mündet, spielt dieser Grundsatz eine sehr wichtige Rolle für die Fortführung der Geschäftstätigkeit des Erwerbers und ist auch für den Lieferanten nicht ohne Bedeutung.
Aus diesem Grund ist die Frage des Verhältnisses zwischen dem Übertragungsplan im Rahmen einer Insolvenz und der Fortführung der bestehenden Geschäftsbeziehungen Gegenstand einer umfangreichen Rechtsprechung.
In diesem Beitrag erhalten Sie einen Überblick über die verschiedenen Entscheidungen, die in den letzten Jahren zu diesem Thema ergangen sind.
1.
Anerkennung der Fortführung bestehender Geschäftsbeziehungen mit dem Erwerber durch den französischen Kassationsgerichtshof
In einer Entscheidung vom 20. Mai 2014 hat der französische Kassationsgerichtshof dahingehend geurteilt, dass eine Geschäftsbeziehung zwischen dem Erwerber und dem ursprünglichen Auftraggeber fortgesetzt werden kann, wenn im Übertragungsplan unter den übernommenen Bestandteilen ausdrücklich der „Kundenstamm“ aufgeführt ist und der zum Kundenstamm zählende Auftraggeber nach der Übertragung verschiedene Aufträge erteilt hat, wodurch er den Erwerber in dem Glauben gelassen hat, dass die bestehenden Geschäftsbeziehungen wie zuvor fortgesetzt würden (Cass. com, 20. Mai 2014, Nr. 12-20.313, F-D, SAS Vilgo c/ SARL Medilindustry: JurisData Nr. 2014-010595).
In einer früheren Entscheidung hatte der französische Kassationsgerichtshof die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung auch dann zugelassen, wenn der Vertrag nicht im Rahmen des Übertragungsplans übertragen worden war und die Parteien einen neuen Vertrag unterzeichnet hatten, der die Bestimmungen des ursprünglichen Vertrags enthielt (Cass. com., 2. Nov. 2011). Es reicht nicht aus, wenn nur der Kundenstamm übertragen wird, sondern die Beziehung muss nach der Übertragung tatsächlich auch fortgesetzt werden. Beide Elemente sind zweifellos erforderlich, und erst ihre Kombination macht die in dieser Entscheidung von den Parteien gewählte Lösung überzeugend.
2.
Beurteilung der Fortsetzung der mit dem Erwerber begründeten Geschäftsbeziehung
In einer Entscheidung vom 10. Februar 2021 verschärft der französische Kassationsgerichtshof die Anforderungen an die Fortführung einer etablierten Geschäftsbeziehung infolge eines Übertragungsplans, indem er den Nachweis einer gemeinsamen Absicht der Parteien fordert (Cass. com., 10 févr. 2021, n° 19-15.369, F-P: JurisData n° 2021-001725).
In einer Entscheidung vom 7. September 2022 erinnerte der französische Kassationsgerichtshof an den Grundsatz, dass im Fall eines abrupten Abbruchs einer etablierten Geschäftsbeziehung der bloße Umstand, dass ein Dritter, der die Tätigkeit oder einen Teil der Tätigkeit einer Person übernommen hat, eine Geschäftsbeziehung fortsetzt, die diese Person zuvor unterhalten hatte, nicht ausreicht, um festzustellen, dass dieselbe Geschäftsbeziehung mit dem betreffenden Partner fortgesetzt wurde, wenn keine Anhaltspunkte hinzugefügt wurden, die beweisen, dass dies der gemeinsame Wille der Parteien war (Cass. 1re civ, 7. Sept. 2022, Nr. 21-12.704, F-D: JurisData Nr. 2022-014567).
Der französische Kassationsgerichtshof verschärft damit die Anforderungen an die Fortführung einer bestehenden Geschäftsbeziehung, indem er den Nachweis einer gemeinsamen Absicht der Parteien fordert. Im vorliegenden Fall beanstandet er die Entscheidung eines Berufungsgerichts, das die Fortsetzung einer etablierten Geschäftsbeziehung bejaht hatte, obwohl der Erwerber eines Unternehmens in Schwierigkeiten „ausdrücklich mitgeteilt hatte, dass der [streitige] Vertrag nicht in das Insolvenzverfahren aufgenommen worden war, woraus geschlossen werden konnte, dass die Parteien nicht den Willen hatten, die Geschäftsbeziehung fortzusetzen“. Es spielt keine Rolle, ob der Erwerber schließlich eine neue Geschäftsbeziehung mit dem ursprünglichen Partner eingegangen ist. Dieser Ansatz ist zwar etwas formal, trägt aber zur Rechtssicherheit bei.
In einer Entscheidung vom 5. Juli 2023 hat das Berufungsgericht Paris infolge der Entscheidung des französischen Kassationsgerichtshof vom 10. Februar 2021 bekräftigt, dass „die Fortsetzung der Beziehung durch eine andere Person als diejenige, die sie ursprünglich eingegangen ist, kein Hindernis für ihre Stabilität darstellt, wenn eine Gesamtrechtsnachfolge vorliegt und, falls dies nicht der Fall ist, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die gemeinsame Absicht der Parteien darin bestand, dieselbe Beziehung fortzusetzen“ (CA Paris, pôle 5, ch. 4, 5. Juli 2023, Nr. 22/19028. JurisData Nr. 2023-011423).
In dieser Entscheidung stellte das Berufungsgericht Paris fest, dass aus den von den Parteien vorgelegten Beweisen hervorgeht, dass die Geschäftsbeziehung zum Zeitpunkt der Veräußerung der Vermögenswerte gemäß dem Sanierungsplan vom Erwerber nicht fortgesetzt wurde. Es stellte insbesondere fest, dass das Gericht, das den Übertragungsplan genehmigt hatte, den Vertrag, der zwischen den Parteien bestanden hatte, nicht unter den abgetretenen Verträgen aufgeführt hatte.
Unser Team für französisches Recht steht Ihnen bei Fragen zu diesem Thema gerne zur Verfügung.
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