Know-how in Frankreich richtig schützen
Für in Frankreich tätige ausländische Unternehmen kann sich die Frage stellen, welche Maßnahmen Gesellschaften in Frankreich selbst ergreifen können, um ihr Know-how zu schützen und wie Know-how durch den französischen Staat zivil- und strafrechtlich geschützt wird.
1. Wie kann Firmen-Know-how in Frankreich durch Geheimhaltungsmaßnahmen des Unternehmens geschützt werden?
a. Schutz gegen sogenannte competitive Intelligence (Wettbewerbsanalyse, Konkurrenzbeobachtung)
Wettbewerber nutzen zahlreiche Mittel, um an geheime Informationen eines Konkurrenzunternehmens zu gelangen, zum Beispiel:
- Aufnahme von Gesprächen,
- Abhören von Arbeitnehmern,
- Videoüberwachung oder Überwachung durch Sensoren,
- Lesen von Korrespondenz,
- Einhacken in Informatiksysteme,
- Abwerbung von Beschäftigten.
- Gesellschaftsrechtliche „expertise de gestion“ (Informationsrecht von Minderheitsgesellschaftern): Hält eine Konkurrenzgesellschaft Anteile an der Gesellschaft, die ihr Know-how schützen will, so kann dieser Wettbewerber in Frankreich auch bei anderer Gelegenheit durchaus legal an vertrauliche Informationen gelangen. Der Wettbewerber kann beispielsweise in Form einer sog. expertise de gestion (Maßnahme, die Minderheitsgesellschafter beantragen können, wenn sie der Meinung sind, dass es Unstimmigkeiten im Rahmen der Geschäftsführung gibt), die von einem Aktionär oder einem Gesellschafter der Zielgesellschaft beantragt wird, die Offenlegung von Informationen verlangen.
- Beschlagnahme von patentverletzenden Waren: Im Rahmen einer Beschlagnahme von patentverletzenden Waren in Frankreich sind sämtliche Dokumente, die zur Herstellung der Erfindung erforderlich sind, zugänglich. Die Beschlagnahme kann zudem gefilmt werden. In Frankreich wurden zwischenzeitlich jedoch einige Vorkehrungen eingeführt, um den Missbrauch der Beschlagnahme von patentverletzenden Waren mit dem alleinigen Ziel, an geheimes Know-how zu gelangen, einzuschränken. Es kann beispielsweise beantragt werden, dass die Person, die um die Durchführung dieser Beschlagnahme bittet, eine Art Kaution zur Deckung eines möglichen Schadens zahlen muss. Der vermutliche Nachahmer kann sich einer Beschlagnahme jedoch nicht widersetzen.
- (vorgetäuschter) Unternehmenskauf: Eine andere Strategie besteht darin, vorzutäuschen, eine Gesellschaft erwerben zu wollen. Im Rahmen einer Due-Diligence und der Verhandlung des Gesellschaftskaufvertrags werden dann Informationen über die Zielgesellschaft eingeholt. Beim Unternehmenskauf gilt, dass der künftige Erwerber Anspruch auf vollständige Information hat; andernfalls kann er ggfs. im Nachgang ein arglistiges Verschweigen von kaufrelevanten Tatsachen geltend machen und Schadensersatz fordern. Die im Vorfeld des Erwerbs durchgeführte Due-Diligence und der Letter of Intent (Absichtserklärung) sind regelrechte Goldminen für einen Konkurrenten, der an das geheime Know-how eines Unternehmens gelangen möchte. Seitens der Zielgesellschaft ist deshalb im Hinblick auf die zu offenbarenden Informationen Fingerspitzengefühl gefragt: sie muss einerseits genug offenbaren, um das Interesse des potentiellen Käufers zu wecken, ohne jedoch andererseits zu viel preiszugeben, damit das Know-how vor Missbrauch geschützt bleibt. Klauseln zur Informationspflicht des Verkäufers sollten deshalb in einem Letter of Intent (LOI) mit Geheimhaltungspflichten des potentiellen Erwerbers gekoppelt werden.
Hinweis: Der Abbruch von Vertragsverhandlungen im Rahmen eines Anteilskaufs durch einen potentiellen Erwerber kann in Frankreich als missbräuchlich angesehen werden, wenn die Unternehmenskaufverhandlungen offensichtlich nur so lange geführt wurden, bis der Konkurrent an sämtliche gewünschten vertraulichen Informationen gelangt. Ein solcher missbräuchlicher Abbruch von Kaufverhandlungen („rupture abusive de pourparlers“) kann zu Schadensersatzpflichten des potentiellen Käufers und Wettbewerbers führen.
b. Vertraulichkeit und stillschweigende Treuepflicht von Arbeitnehmern
Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitsklauseln verbieten die Offenlegung, Verwertung oder Mitteilung von geheimen Informationen. Bei Verträgen über geheimes Know-hows gilt auf jeden Fall eine ungeschriebene Vertraulichkeitspflicht.
Wurden Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitsklauseln nicht ausdrücklich vereinbart, ist es jedoch schwierig einzugrenzen, was der Arbeitnehmer offenlegen darf und was nicht. Sobald der Arbeitnehmer das Unternehmen verlassen hat, sind ihm dann nur Handlungen untersagt, die als unlauterer Wettbewerb gelten.
Durch Einfügung einer ausdrücklichen Geheimhaltungsklausel wird der Person, die sich zur Geheimhaltung verpflichtet, eine Ergebnispflicht (obligation de résultat) auferlegt. Diese Pflicht kann auch nach dem Ende des Vertrags fortbestehen (nachvertragliche Geheimhaltungspflicht). Auf der Grundlage einer solchen Klausel kann der Schweigepflichtige wegen einer Vertragsverletzung deutlich einfacher haftbar gemacht und zu Schadensersatzzahlungen verpflichtet werden. Möglich ist auch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe bei Verstoß des Arbeitnehmers gegen die Vertraulichkeitspflicht.
2. Wie kann Know-how im Rahmen von Geschäftsbeziehungen in Frankreich vertraglich geschützt werden?
Der Verstoß gegen ein vertraglich vereinbartes Verbot der Offenlegung von Geheimnissen stellt nach französischem Recht die Verletzung einer Vertragspflicht dar. Die Person, die ein solches Geschäftsgeheimnis offengelegt hat, kann zur Verantwortung gezogen und zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt werden.
a. Schutz von Know-how im französischen Arbeitsvertrag
In Frankreich wie in Deutschland werden Vertraulichkeitsklauseln in den meisten Arbeitsverträgen, fast immer bei Ingenieuren, leitenden Angestellten und technischem Fachpersonal, vorgesehen.
Es kann auch vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer lediglich einen eingeschränkten Zugang zu bestimmten Bereichen des Unternehmens hat oder dass die Mitnahme von Dokumenten und Kopien nach Hause verboten ist.
In Frankreich gilt zunächst der „Grundsatz der legitimen Nutzung der im Rahmen einer vorherigen Beschäftigung erworbenen Kenntnisse“. Während er noch für das Unternehmen tätig ist, haftet ein Beschäftigter, der ein Geschäftsgeheimnis verrät, auch ohne Vereinbarung einer Geheimhaltungspflicht bei der Verletzung dieser Vertragspflicht.
Nach Beendigung des Arbeitsvertrags muss der ehemalige Arbeitnehmer grundsätzlich Stillschweigen über die Geheimnisse des Unternehmens bewahren. Er ist nicht berechtigt, Dokumente oder Zeichnungen mit dem Ziel, ähnliche Produkte herzustellen, zurückzubehalten. Dies gilt selbst dann, wenn diese von ihm selbst im Rahmen der Ausübung seiner Tätigkeiten erstellt wurden.
Er kann jedoch
- seine technischen Fähigkeiten und seine berufliche Ausbildung nutzen,
- eine im Wettbewerb zu seinem ehemaligen Arbeitgeber stehende Tätigkeit betreiben,
- dieselbe Stelle in einer anderen Gesellschaft annehmen,
sofern er nicht einer Wettbewerbsverbotsklausel unterliegt und er keine Geheimnisse preisgibt. Im Rahmen des unlauteren Wettbewerbs hat die Rechtsprechung zum Beispiel „die systematische Nutzung der Arbeiten und der technischen Kenntnisse eines ehemaligen Arbeitgebers innerhalb kürzester Zeit, die fast identische Nachbildung von Produkten des ehemaligen Arbeitgebers ohne technische Notwendigkeit sowie die Abwerbung von Kunden“ durch zwei ehemalige Arbeitnehmer, die sich selbstständig gemacht hatten, bestraft.
b. Schutz von Know-how im französischen Franchisevertrag
c. Schutz von Know-how im französischen Know-how-Übertragungsvertrag-Lizenzen
3. Wie hat der französische Gesetzgeber die Schadensersatzpflicht und den Schutz von Geschäftsgeheimnissen geregelt?
In Frankreich wird ein Geheimnis nicht gegen jedwede Verletzung geschützt. Allerdings wird das schuldhafte Verhalten desjenigen, der ein Geheimnis verraten oder wettbewerbswidrige Mittel verwendet hat, um an dieses zu gelangen, bestraft.
Jede Verletzung des Geschäftsgeheimnisses führt zur zivilrechtlichen Haftung des Täters (Artikel L. 152-1 des französischen Handelsgesetzbuches).
Artikel 1112-2 des französischen Bürgerlichen Gesetzbuches bestimmt auch, dass eine Person, die vertrauliche Informationen, die sie im Rahmen von Verhandlungen erhalten hat, ohne Genehmigung verwendet oder weitergibt, nach den Bedingungen des allgemeinen Rechts haftet.
Möglich ist auch eine Klage wegen unlauteren Wettbewerbs (Artikel 1240 und 1241 des frz. Zivilgesetzbuchs). Eine Klage wegen unlauteren Wettbewerbs ist gerechtfertigt, wenn ein Konkurrent unter wettbewerbswidrigen Umständen an ein Geschäftsgeheimnis gelangt ist. Das schuldhafte Verhalten des Wettbewerbers, der Schaden sowie der Kausalzusammenhang zwischen diesen müssen wie bei jeder Schadensersatzklage wegen unerlaubter Handlung nachgewiesen werden.
Beispiele: Die Desorganisation des Unternehmens, die Verletzung einer Pflicht zur Geheimhaltung, die Abwerbung von Arbeitnehmern, Industriespionage und sogenannte agissements parasitaires (Verunglimpfungen) sind geläufige Beispiele hierfür. Oftmals liegt eine unlautere Handlung darin, dass der sich ein Konkurrent durch fingierte Verhandlungen über eine Know-how-Übertragung Informationen verschafft.
Berechtigte Inhaber von Geschäftsgeheimnissen werden oft von rechtlichen Schritten abgehalten, weil sie befürchten, dass Geschäftsgeheimnisse im Rahmen von Gerichtsverfahren bekannt werden. Neue Regeln, die am 14. Dezember 2018 in Kraft getreten sind, schützen nun die Verarbeitung der während des Verfahrens offenbarten Unterlagen und legen eine Geheimhaltungspflicht für die verschiedenen beteiligten Parteien fest.
Wie wird der Schaden berechnet?
Die Ermittlung/Bewertung des Schadens ist gesetzlich geregelt.
Der Richter muss insbesondere folgende Punkte in Erwägung ziehen:
- die negativen wirtschaftlichen Folgen der Verletzung des Geschäftsgeheimnisses, einschließlich des Gewinnausfalls und des Verlusts für den Geschädigten sowie des Verlustes von Geschäftschancen („perte de chance“);
- den moralischen Schaden („préjudice moral“), der dem Geschädigten entsteht;
- die Gewinne des Täters aus der Verletzung des Geschäftsgeheimnisses, einschließlich der Einsparungen an geistigen, materiellen und fördernden Investitionen, die der Täter als Folge der Verletzung erzielt hat.
Hat das geschädigte Unternehmen nicht sämtliche erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um die Wahrung des Geheimnisses sicherzustellen oder hat das Unternehmen fahrlässig gehandelt, indem es den Dritten „von der Situation profitieren lassen hat“, wird ein schuldhaftes Verhalten des Schädigers von französischen Gerichten selten anerkannt.
Wird das Know-how nicht wirklich genutzt oder sind die Folgen der Preisgabe des Know-hows durch den Lizenznehmer nur indirekt, wird der Schaden in der Regel als geringer eingestuft.
Das Bestehen eines Schadens muss von dem Unternehmen, das Opfer der wettbewerbswidrigen Handlungen ist, nachgewiesen werden, indem der Vorteil, den sein Konkurrent erlangt hat, dargelegt wird.
4. Welche Strafen sieht das französische Strafrecht vor?
Die widerrechtliche Aneignung eines Geschäftsgeheimnisses wird in Frankreich strafrechtlich geahndet. Hierbei kommen unterschiedliche Straftatbestände in Betracht, zum Beispiel:
- Missbrauch des Vertrauens (Untreue): Es kann sich auch um eine Veruntreuung von Dokumenten handeln, die vertrauliches Know-how umfassen.
- Hehlerei: Hehlerei kann sich nach französischem Strafrecht auch auf immaterielle Elemente, wie eine Information, beziehen.
- Verletzung eines Betriebsgeheimnisses: Dies liegt vor, wenn ein Geschäftsführer/Vorstand oder ein Arbeitnehmer ein Geschäftsgeheimnis verrät oder versucht, dieses zu verraten. Hierfür droht eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und eine Geldstrafe in Höhe von 30.000 €.
- Bestechung von Angestellten: hierzu zählt die Erteilung von Auskünften über das Unternehmen und den Arbeitgeber gegen Bezahlung.
Falls Sie hierzu weitere Informationen wünschen, steht Ihnen unsere Kanzlei jederzeit gerne zur Verfügung.
Stand Oktober 2019