Missbräuchliche Abberufung eines Geschäftsführers in Frankreich
Im Rahmen der Abberufung eines Geschäftsführers (Président; Directeur Général) einer SAS (société par actions simplifiée, vereinfachte Aktiengesellschaft französischen Rechts) muss in jedem Fall immer darauf geachtet werden, dass die Abberufung nicht missbräuchlich, das heißt nicht „unter ehrverletzenden, brutalen Umständen“ erfolgt. Dies gilt auch dann, wenn der Gesellschaftsvertrag (Satzung) bestimmt, dass eine Abberufung jederzeit ohne besonderen rechtfertigenden Grund und ohne Schadensersatzzahlung erfolgen darf.
Erfolgt die Abberufung nämlich missbräuchlich, kann der Geschäftsführer gegen die Gesellschaft auf Ersatz seines durch die Abberufung erlittenen immateriellen Schadens klagen.
Dieser Anspruch steht auch einer juristischen Person (z. B. einer deutschen GmbH) zu, die Geschäftsführerin einer französischen SAS ist.
Der französische Kassationsgerichtshof (cour de cassation, Pendant zum deutschen Bundesgerichtshof) hat dies in seinem Urteil Nr. 19-25.794 vom 30. März 2022 bestätigt:
In dem zugrundeliegenden Fall war eine SARL (société à responsabilité limitée, GmbH französischen Rechts), vertreten durch ihren Geschäftsführer, Präsidentin (Président) einer französischen SAS. Nach einigen Jahren wurde die SARL als Präsidentin abberufen. Daraufhin forderte die abberufene SARL Schadensersatz für ihren eigenen immateriellen Schaden, mit der Begründung, ihre Abberufung sei „brutal und beleidigend“ gewesen. Das zuständige frz. Berufungsgericht hat zwar die Existenz eines immateriellen Schadens des Geschäftsführers (= eine natürliche Person) der abberufenen SARL festgestellt und ihm Schadensersatz zugesprochen. Die Klage der SARL auf Zahlung von Schadensersatz wurde jedoch abgewiesen; das Berufungsgericht kam zu dem Schluss, dass die SARL als juristische Person keinen eigenen immateriellen Schaden nachweisen konnte.
Diese Entscheidung wurde vom französischen Kassationsgerichtshof (cour de cassation) aufgehoben, und zwar mit folgender Begründung: Da das Berufungsgericht eindeutig festgestellt hat, dass die SAS ihre Loyalitätspflichten im Rahmen der Abberufung der SARL verletzt hatte, kann auch die SARL als juristische Person Schadensersatz geltend machen. Die Sache wurde deshalb vom Kassationsgerichtshof an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Praxistipp:
Auch wenn in Frankreich die Abberufung eines Geschäftsführers weit weniger formalistisch abläuft als z. B. die Kündigung eines Arbeitnehmers in Frankreich, müssen gewisse Regeln beachtet werden, damit die Abberufung rechtmäßig ist und nicht angefochten werden kann.
Für weitere Informationen stehen Ihnen unsere deutsch-französischen Rechtsanwälte selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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