Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses in Frankreich – Aktuelle Entscheidungen
Nachfolgend möchten wir Ihnen zwei wichtige Entscheidungen zur Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses in Frankreich darstellen.
1.
Beschlüsse der Gesellschafter einer französischen vereinfachten Aktiengesellschaft (société par actions simplifiée - SAS), die unter Verletzung der Satzung gefasst wurden, können für nichtig erklärt werden.
Die SAS in Frankreich zeichnet sich insbesondere durch die große Freiheit und hohe Flexibilität aus, über die die Gesellschafter bei der Gestaltung der Organisation und der Funktionsweise der SAS verfügen.
Da das Gesetz keine Vorschriften zu den Modalitäten der Beschlussfassung der Gesellschafter einer SAS enthält, müssen diese Regeln hinreichend detailliert in der Satzung der SAS festgelegt werden. Die Beachtung dieser Satzungsbestimmungen ist wesentlich für die Rechtssicherheit von Beschlüssen.
Dennoch war es bislang ständige Rechtsprechung, dass Beschlüsse, die unter Verletzung von Bestimmungen einer SAS-Satzung gefasst wurden, nur in bestimmten Fällen für nichtig erklärt werden konnten.
Das französische Kassationsgericht hat diese ständige Rechtsprechung in seinem Urteil Nr. 21-18.324 vom 15. März 2023 dahingehend geändert, dass es den Gerichten nun generell möglich ist, Beschlüsse für nichtig zu erklären, die unter Verletzung der in der Satzung festgelegten Modalitäten (z. B.: Form der Beschlussfassung; Beschlussfähigkeit; erforderliche Mehrheit u. ä.) gefasst wurden.
Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses kann in einem solchen Fall jedoch nur dann Erfolg haben, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Möglichkeit bestand, dass der Beschluss anders ausgefallen wäre, wenn die Satzungsbestimmungen eingehalten worden wären. Es obliegt dem Gericht, dies je nach konkretem Sachverhalt zu beurteilen.
2.
Gesellschafterbeschlüsse einer französischen SARL, an denen Nicht-Gesellschafter teilgenommen haben, sind nichtig.
Dies wurde vom frz. Kassationsgericht in seinem Urteil Nr. 21-24.646 vom 11. Oktober 2023 bestätigt.
Dem Urteil lag ein Streit über die wirksame Abtretung von Anteilen an einer SARL und somit über die Rechtmäßigkeit der von den Erwerben bei Gesellschafterversammlungen gefassten Beschlüsse zugrunde.
Das Kassationsgericht stützte sich auf Artikel 1844 des französischen Zivilgesetzbuchs, in dem bestimmt ist, dass nur Gesellschafter das Recht haben, an kollektiven Beschlüssen der Gesellschaft mitzuwirken.
Die Nichtigkeit aufgrund der Teilnahme eines Nicht-Gesellschafters droht jedoch laut Kassationsgericht nur dann, wenn der Verstoß das Ergebnis der Beschlussfassung beeinflussen konnte.
Im vorliegenden Fall war ein solcher Einfluss tatsächlich gegeben, da die Erwerber, denen rückwirkend das Recht auf Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen entzogen wurde, 90 % der Anteile an der SARL hielten und somit einen entscheidenden Einfluss auf das Beschlussergebnis hatten.
Damit wird der in Artikel 1844 des französischen Zivilgesetzbuchs geregelte Grundsatz in seiner Auswirkung (= Nichtigkeit des Beschlusses bei Mitwirkung eines Nichtgesellschafters) abgeschwächt, was in der Rechtslehre von vielen Seiten bedauert wird. Es bleibt abzuwarten, inwiefern die erst- und zweitinstanzlichen Gerichte in Frankreich diesen neuen Regeln folgen werden.
Für weitere Informationen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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