Vertretungsmacht des Generaldirektors einer französischen SAS: Der HR-Auszug genügt nicht zum Nachweis
Französisches Gesellschaftsrecht: Der Handelsregisterauszug einer französischen SAS genügt nicht als Nachweis dafür, dass ihr Directeur Général die Gesellschaft gegenüber Dritten wirksam vertreten kann.
Das französische Handelsgesetzbuch (Code de commerce) definiert den Président als einzigen gesetzlichen Vertreter einer SAS (société par actions simplifiée, vereinfachte Aktiengesellschaft französischen Rechts). Daneben ist es auch möglich, weitere Personen mit gesellschaftsrechtlicher Vertretungsmacht auszustatten, die dann den Titel Directeur Général (Generaldirektor) oder Directeur Général Adjoint (beigeordneter Generaldirektor) erhalten. Diese Möglichkeit setzt jedoch voraus, dass die Satzung (Gesellschaftsvertrag) eine Vertretungsmacht für diese Personen ausdrücklich vorsieht.
Die Eintragung eines Directeur Général oder eines Directeur Général Adjoint im Handelsregister reicht allein nicht aus, um nachzuweisen, dass die eingetragene Person die SAS auch nach außen rechtswirksam vertreten darf.
Dieses Thema war Gegenstand des Urteils Nr. 20-21.460 des französischen Kassationsgerichthofs (Cour de cassation) vom 25. Mai 2022.
Im zugrundeliegenden Fall hatte ein Haftrichter einen Beschluss erlassen, welcher es der Zollverwaltung erlaubte, die Räumlichkeiten einer SAS zu durchsuchen und Gegenstände zu beschlagnahmen. Während der Durchsuchung weigerte sich die Zollverwaltung, dem im Handelsregister eingetragenen Directeur Général der SAS, der an diesem Tag in Abwesenheit des Président (Vorsitzender der SAS) als einziger Vertreter der SAS anwesend war, eine Kopie des richterlichen Beschlusses auszuhändigen.
Die SAS klagte daraufhin auf Feststellung der Nichtigkeit der Durchsuchung und der Beschlagnahme. Das Berufungsgericht gab der Klage statt mit der Begründung, dass die Zollverwaltung dem Directeur Général die Eigenschaft als rechtmäßiger Vertreter der SAS nicht abstreiten durfte und dass sie ihm daher den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss hätte aushändigen müssen.
Diese Entscheidung wurde jedoch durch den frz. Kassationsgerichtshof aufgehoben, und zwar mit folgender Begründung:
Das Berufungsgericht hätte sich zum Zwecke der Feststellung der Vertretungsmacht nicht auf die Eintragung als Directeur Général im Handelsregisterauszug der SAS verlassen dürfen, sondern hätte vielmehr prüfen müssen, ob die Satzung der SAS ausdrücklich regelte, dass der Directeur Général im Rahmen seines konkreten Handelns seitens der SAS mit Vertretungsvollmacht ausgestattet war.
Diese Entscheidung wird künftig sicherlich Einfluss haben auf die Formulierung von Satzungen von SAS in Frankreich. Die gerade bei der SAS bestehende große Gestaltungsfreiheit im Rahmen der Formulierung der Satzung verpflichtet künftig in diesem Bereich zu besonderer Vorsicht.
Hinweis betreffend den Schutz Dritter:
Wenn durch die Eintragung des Directeur Général im Handelsregister der Anschein einer Vertretungsmacht erweckt wird, ohne dass eine entsprechende Klausel in der Satzung (Gesellschaftsvertrag) existiert, wird dadurch die Rechtssicherheit Dritter nicht beeinträchtigt. Die SAS kann sich nämlich in einem solchen Fall gegenüber Dritten, die z. B. einen Vertrag mit der SAS abschließen wollten und dabei auf eine ausreichende Vertretungsmacht des Directeur Général vertrauten, nicht auf eine mangelnde Vertretungsmacht des Directeur Général berufen, um sich vom Vertrag zu lösen.
Für weitere Informationen stehen Ihnen unsere deutsch-französischen Rechtsanwälte selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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