Veruntreuung von Gesellschaftsvermögen in Frankreich: Verschleierung bedeutet nicht zwangsläufig Veruntreuung
Die Voraussetzungen des Straftatbestands der Veruntreuung von Unternehmensvermögen (abus de biens sociaux) sind in Artikel L. 242-6 Nummer 3 des französischen Handelsgesetzbuches (Code de commerce) geregelt. Dieser liegt z. B. vor, wenn der Geschäftsführer einer Gesellschaft das Vermögen oder die finanziellen Mittel der Gesellschaft für persönliche Zwecke oder mit dem Ziel verwendet, eine andere Gesellschaft zu begünstigen, an der er ein Interesse hat.
Die strittige Handlung muss zwingend also dem Interesse der Gesellschaft entgegenstehen. Dies ist dann der Fall, wenn der Gesellschaft daraus ein materieller Schaden erwächst, jedoch auch, wenn die Gesellschaft dadurch einem ungewöhnlichen Risiko ausgesetzt wird.
In einem Urteil Nr. 20-85495 vom 15. September 2021 hat der französische Kassationsgerichtshof (Cour de cassation; entspricht dem deutschen Bundesgerichtshof) entschieden, dass Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen, die durch unregelmäßige Buchungsvorgänge verschleiert wurden, nicht per se eine Veruntreuung von Gesellschaftsvermögen darstellen, wenn die strittigen Tatsachen weder das Vermögen noch die Interessen der Gesellschaft, die dem zugestimmt hat, beeinträchtigen.
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte der Geschäftsführer eines Unternehmens Abbuchungen in Höhe von über 120.000 Euro vorgenommen mit der Begründung, dass diese Zahlungen mit Genehmigung der Geschäftsführung des Konzerns, welchem das Unternehmen angehört, eine Vorauszahlung einer ihm zustehenden Prämie seien. Um diese Prämie geheim zu halten, hat der Geschäftsführer veranlasst, die Zahlungen über Lieferantenkonten zu verbuchen. Die Wirtschaftsprüfer der Gesellschaft haben den Schwindel aufgedeckt, und es kam zu einem Gerichtsverfahren.
Die Vorinstanz war der Ansicht, dass der Tatbestand der Veruntreuung von Gesellschaftsvermögen erfüllt sei, da der Angeklagte unrechtmäßig Gesellschaftsmittel zu seinem persönlichen Vorteil entnommen und die Gesellschaft wegen der Verschleierung dieser Entnahmen einem strafrechtlichen und steuerlichen Risiko für unrichtige Kontenführung ausgesetzt habe. Der Kassationsgerichtshof hob diese Entscheidung auf. Er urteilte, dass die Richter nicht ausreichend dargelegt haben, dass die vorgenommenen Abbuchungen dem Gesellschaftsinteresse entgegenstanden. Denn sie entsprachen einer Vergütung, die dem Geschäftsführer zweifelsfrei als Gegenleistung für seine Tätigkeit und in Abstimmung mit der Konzernleitung zustand.
Eine rein formale Unregelmäßigkeit einer Handlung genügt also nicht, den Tatbestand der Veruntreuung von Gesellschaftsvermögen zu erfüllen, wenn das Interesse der Gesellschaft nicht geschädigt wird.
Für weitere Informationen stehen Ihnen unsere deutsch-französischen Rechtsanwälte selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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