Schutz der gewerblichen Schutzrechte und Urheberrechte durch das Geschäftsgeheimnis in Frankreich
In Frankreich spricht man von „savoir-faire“ (französische Übersetzung des englischen Begriffs Know-how), Know-how und „secret de fabrique“ (Betriebsgeheimnis, geheim gehaltenes Herstellungsverfahren). In Deutschland spricht man von Geschäfts- und Betriebsgeheimnis, aber auch von Know-how oder Wirtschaftsgeheimnis und Unternehmensgeheimnis. Anders gesprochen, geht es den betroffenen Unternehmen in beiden Ländern immer um den Schutz von gewerblicher und industrieller Innovation.
1. Was ist der Unterschied zwischen Know-how und Geschäftsgeheimnis?
Das Know-how
Know-how ist im Grunde ein sehr vager Begriff. Unter Know-how versteht man Kenntnisse oder Informationen, die nicht patentrechtlich geschützt sind und die der Herstellung und dem Vertrieb von Produkten oder Leistungen dienen.
Das Know-how spielt in der Unternehmenspraxis eine wesentliche Rolle und umfasst sämtliche „Informationen, mehr oder weniger technischer Art, die geheim gehalten werden sollen, jedoch nicht durch ein ausschließliches Recht geschützt sind.“
Es umfasst den Erfahrungsschatz, Verfahren und Herstellungsformeln von Unternehmen, inbegriffen Techniken, die nicht urheberrechtlich geschützt, jedoch der Konkurrenz schwer zugänglich sind. Das Know-how beinhaltet demnach jedwede praktische Information, für deren Kenntnis ein Wettbewerber bereit ist, eine Gegenleistung zu zahlen.
Konkreter ausgedrückt bezeichnet das Know-how (im Französischen „savoir-faire“) die Gesamtheit der Informationen und Praktiken/Methoden, die für die Einrichtung und den Betrieb eines Unternehmens erforderlich sind, unabhängig davon, ob man sie patentieren kann oder nicht.
Das Geschäftsgeheimnis
Das Geschäftsgeheimnis (im Französischen „secret d’affaires“) umfasst nicht nur das technische Know-how, sondern auch eine Vielzahl an vertraulichen Informationen im Hinblick auf den Betriebsablaufs des Unternehmens. Dem Geschäftsgeheimnis unterliegen Informationen aus den Bereichen Arbeitsrecht, Verwaltung, Vertrieb, Finanzen und allgemeine Strategie; im Englischen spricht man auch von „trade secret“.
Das Geschäftsgeheimnis kann in der Unternehmenspraxis durchaus mit dem aktuellen Phänomen der „Whistleblower“ kollidieren.
Präzisierung: Je nach Grad ihrer Formalisierung und der Art und Weise, wie das Unternehmen, bzw. seine Mitarbeiter, sich die Informationen angeeignet haben, handelt es sich bei den vom Geschäftsgeheimnis umfassten Kenntnissen um die gesamte Bandbreite von einfachen allgemeinen Daten, die für das Unternehmen von Nutzen sind, bis hin zu Informationen, die durch einen Eigentumstitel geschützt sind. In Betriebshandbüchern zusammengefasste Daten bezeichnet man als Know-how. Sie werden anschließend in Wege einer Patentanmeldung ausreichend rechtlich geschützt.
2. Sollte eine Erfindung besser geheim gehalten oder patentiert werden?
Die Beantwortung der Frage, ob eine Erfindung besser geheim gehalten oder patentiert werden sollte, hängt davon ab, welches Ziel das Unternehmen verfolgt.
Entscheidet ein Unternehmen sich für die Patentierung einer Erfindung, ist die Ausübung eines ausschließlichen Rechts gewährleistet. Jedwede Patentrechtsverletzung kann geahndet werden. Ein Patent zählt zu den geistigen/unkörperlichen Akiva der Gesellschaft und kann somit bewertet und übertragen werden.
Die Tatsache, dass aus seiner Erfindung ein Gewinn erzielt werden kann, indem der Patentrechtsinhaber Nutzungs- und Betriebslizenzen erteilt, gleicht dann den Umstand aus, dass die Erfindung der Wissenschaft zur Verfügung gestellt wird und zum technischen Fortschritt beiträgt.
Manche Unternehmen, die viel Geld für ihre F&E-Aktivitäten aufgewendet haben, befürchten allerdings, dass ihre Erfindung auch der Konkurrenz dient und zu Produktverbesserungen verhilft.
Ein Patent ist auch ein Indikator für die Aktivitäten eines Unternehmens und kann es der Konkurrenz somit ermöglichen, ein Unternehmen im Rahmen systematischer Wettbewerbsanalysen zu überwachen.
Der Begriff der Competitive Intelligence (Konkurrenz- und Wettbewerbsanalyse) bezeichnet in diesem Zusammenhang die gezielte Sammlung und Auswertung von Informationen über Konkurrenzunternehmen, ihren Tätigkeitsgrad und ihre strategische Ausrichtung. Die Bedeutung eines Patents kann dabei beispielsweise anhand der Tatsache, wie oft es im Rahmen des Prüfungsverfahrens zitiert wird, gemessen werden.
Hinweis: Ein Unternehmen, das gegenüber seinen Konkurrenten so intransparent wie möglich bleiben möchte, sollte berücksichtigen, dass alleine aufgrund seiner geschützten Eigentumstitel Informationen an die Öffentlichkeit gelangen können. Einem Wettbewerber, der eine Patentanalyse der Konkurrenz durchführt, ist es nämlich möglich zu unterscheiden,
- zu welchem Zeitpunkt Forschungs- und Entwicklungsarbeiten (F&E) durchgeführt wurden,
- welche Mittel aufgewendet wurden,
- welche technischen Schwierigkeiten aufgetreten sind sowie
- wie die Unternehmensstrategie im Bereich der gewerblichen Schutzrechte aussieht.
Die Risiken der Patentanmeldung: Die Praxis hat gezeigt, dass bereits während des Patentanmeldungsverfahrens kritische Informationen an die Öffentlichkeit gelangen können. So holen zum Beispiel bestimmte Patentämter im Rahmen der Prüfung des Patentantrags gelegentlich technische Informationen ein, die weitaus detaillierter sind als die üblichen Patentierbarkeitskriterien. Je sensibler die Informationen sind, desto eher sollte ein Unternehmen Maßnahmen zum Schutz gegen Industriespionage ergreifen.
Auch von staatlicher Seite drohen Risiken. Kürzere Schutzfristen oder die Verpflichtung zur zeitnahen Nutzung unter streng angewandten Auflagen können es dem Staat erlauben, sich die Erfindung anzueignen und dann auf eigene Rechnung Lizenzen zu erteilen (Problem der Lizenzen, die wegen Nichtnutzung automatisch verfallen).
3. Wenn ich mich für die Geheimhaltung des Know-hows entscheide: wie kann dieses Geschäftsgeheimnis geschützt werden?
Der Personenkreis, der vom Geschäftsgeheimnis Kenntnis hat (Mitarbeiter oder Geschäftspartner) sollte vertraglich zur Geheimhaltung verpflichtet werden (Geheimhaltungspflicht, Vertraulichkeitsklausel).
Geheimhaltungspflichten und Wettbewerbsverbotsklauseln sollten in Arbeitsverträge und Know-how-Übertragungsverträge aufgenommen werden.
Die Verletzung einer vereinbarten Geheimhaltungspflicht zieht sowohl in Frankreich als auch in Deutschland eine vertragliche Schadensersatzpflicht sowie gegebenenfalls eine deliktische und strafrechtliche Haftung nach sich.
4. Kann ich rechtlicher Eigentümer einer Information sein?
Es ist nicht möglich Eigentümer einer Information zu sein.
Präzisierung: Die Ansammlung von Informationen, die eine Person oder ein Unternehmen sich durch Erfahrung und Forschung angeeignet hat, hat einen Wert, kann aber nicht wie Eigentum im Klagewege verteidigt werden. Daher rührt die Praxis, betriebsbezogene Informationen, die einen Vermögenswert darstellen, geheim zu halten.
5. Das Geschäftsgeheimnis im Geschäftsleben
Know-how ist nicht patentierbar und wird aus rechtlicher Sicht nicht als Sache betrachtet. Know-how kann lediglich in den Betrieb eingebracht werden, was für sich alleine genommen lediglich zu einer geringfügigen Aufwertung führt.
Wirtschaftlich interessant ist es oftmals, einen Know-how-Übertragungsvertrag abzuschließen. Bei diesem verpflichtet sich der Know-how-Inhaber in der Regel gegen Bezahlung und unter Vereinbarung einer Verschwiegenheitspflicht dazu, sein Know-how einem Dritten zu offenbaren. Das französische „secret de fabrique“ (Betriebsgeheimnis, geheim gehaltenes Herstellungsverfahren) hingegen ist naturgemäß sensibler und sollte in keinem Fall unternehmensfremden Personen zugänglich gemacht werden.
Präzisierung: Zwischen Know-how und Wettbewerbsrecht besteht eine enge Verbindung. Der Schutz von geheimem Know-how kommt dem Unternehmen, aber auch allgemein dem freien Wettbewerb zwischen Unternehmen zugute.
6. Beispiele für Know-how aus der französischen und der deutschen Rechtsprechung
Laut französischer Rechtsprechung können Know-how sein:
- Parfümformeln;
- Kochrezepte;
- in der Metallbearbeitung ein Verfahren bezüglich der Zusammensetzung, Dosierung und Verwendung eines Bads sowie der Aufrechterhaltung einer Temperatur in der Werkstatt;
- in eine Maschine integrierte Vorrichtungen;
- Techniken zur Umsetzung und Anwendung bestimmter Prozesse;
- der Name der Führungskräfte, die für die Werbung bei anderen Unternehmen verantwortlich sind;
- Geschäftsunterlagen, Informationen, die bei einem früheren Arbeitgeber erworben wurden und anhand derer Dritten Angebote unterbreitet und Geschäfte zum Abschluss gebracht werden können;
- Art der Artikel, Preislisten und Bedingungen sowie Namen der Geschäftspartner eines ehemaligen Arbeitgebers.
Laut deutscher Rechtsprechung können Know-how sein:
Die deutsche Rechtsprechung unterscheidet zwischen zwei Kategorien: Geschäftsgeheimnisse und Betriebsgeheimnisse.
Sämtliche geheimen Daten eines Unternehmens, die sich auf seine Situation und sein Marktverhalten beziehen, gelten als Geschäftsgeheimnis:
- Bilanzen;
- Arbeitnehmer;
- Organisation;
- Werbe- und Verkaufsmethoden;
- Kunden- und Lieferantendaten;
- in einem Angebot enthaltene Preise und Bedingungen;
- Berechnungstabellen;
- Gehaltslisten;
- Vorzugsbedingungen, die im Rahmen der Veröffentlichung einer Annonce gewährt wurden;
- Allgemeine Daten zum Markt, die für das Unternehmen von wesentlicher Bedeutung sind;
- die zukünftige Vertriebsstrategie eines Unternehmens.
Als Betriebsgeheimnis gelten sämtliche technischen Daten eines Unternehmens, zB:
- Konstruktionszeichnungen oder Aufzeichnungen über Gedankengänge;
- Herstellungsverfahren und Produktionsmethoden;
- Zusammensetzungen;
- Modellskizzen,
- Verfahren zur Kontrolle und Prüfung der Ergebnisse;
- Know-how;
- Analysen bezüglich der Qualitäten und der Wirkungen eines Produkts;
- Montage und Funktionsweise von Geräten;
- Handgriffe im Rahmen der Anwendung eines bekannten Verfahrens, Zusammensetzung und Herstellungsverfahren eines Möbelpflegewachses;
- Computerprogramme sowie diesbezügliche Unterlagen;
- Verfahren zur Herstellung eines alkoholfreien Traubengetränks;
- Daten zur Herstellung optischer Instrumente;
- Merkmale einer Maschine, die lediglich bei ihrer Demontage ersichtlich sind;
- Besonderheiten einer Presse zur Herstellung von Tontauben;
- Reagenzmittelformel;
- Zusammensetzung eines Medikaments.
7. Neue Technologien: welches Risiko besteht im Hinblick auf Wissensmanagement / Knowledge Management?
Zur Verwaltung von Know-how werden in europäischen Unternehmen zunehmend elektronische „Knowledge Management“-Systeme (Wissensmanagement) eingesetzt. Dieses aus den USA stammende „KM“ ermöglicht eine Kapitalisierung von Know-how. Es erfasst das von einer Gesellschaft erworbene Know-how. Es wird gesammelt und geordnet, damit es anschließend unabhängig von Einzelpersonen wiederverwendet werden kann. Das erleichtert die Arbeit und verhindert, dass Kenntnisse verloren gehen, die verstreut im Gedächtnis der Arbeitnehmer und in unterschiedlichen Betrieben und Tochtergesellschaften vorhanden sind. Juristisch gesprochen handelt es sich um das Zusammenführen und die Aktualisierung von technischem und gewerblichem Know-how, das Unternehmenszwecken dienlich ist.
„KM“ ermöglicht eine vereinfachte Identifizierung von Kenntnissen und erleichtert die Handhabung von Know-how-Lizenzverträgen. Der Informationsfluss innerhalb eines Unternehmens wird effizienter, und sämtliche Personen in einem Betrieb erhalten Zugriff auf die für sie relevanten Informationen.
„Knowledge-Management“-Arbeitsplätze finden sich zunehmend im Ingenieurswesen und bei beratenden Berufen (Consulting). Vor dem Hintergrund, dass die „Competitive Intelligence“ (Konkurrenz- und Wettbewerbsanalyse) eine zunehmende Bedrohung für Unternehmen darstellt,
wird der Schutz von Know-how durch Geheimhaltung immer schwieriger. „Competitive Intelligence“ wird von manchen Wettbewerbern, aber auch ausländischen Staaten, ohne Beachtung jeglicher ethischer Grundsätze eingesetzt.
Für eine Vielzahl der Wirtschaftsbeteiligten und für manche Staaten ist es sehr verlockend, Nutzen aus Kenntnissen, die andere erworben haben, ziehen zu können, ohne hohe Aufwendungen für Forschung und Entwicklung tätigen zu müssen sowie die Marktposition eines Unternehmens und seine Projekte genau zu kennen. In Frankreich wurde die Technik des „KM“ schon als „Spionage für den Feind“ beschrieben.
8. Die EU-Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen vom 8. Juni 2016 und Whistleblowing
Die EU-Richtlinie 2016/943 vom 8.6.2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung setzt den harmonisierten europarechtlichen Rahmen zum Schutz von Unternehmen vor dem Diebstahl oder der widerrechtlichen Verbreitung ihrer Daten oder Geschäftsgeheimnisse.
Allerdings sind Unternehmen, die Opfer von Diebstahl oder widerrechtlicher Verbreitung ihrer Geschäftsgeheimnisse werden, nach der EU-Richtlinie dann hiergegen nicht geschützt, wenn der Erwerb, die Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses in einem der folgenden Fälle erfolgt ist:
- zur Ausübung des Rechts der freien Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit gemäß der Charta, einschließlich der Achtung der Freiheit und der Pluralität der Medien;
- zur Aufdeckung eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens oder einer illegalen Tätigkeit, sofern der Antragsgegner in der Absicht gehandelt hat, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen;
- Offenlegung durch Arbeitnehmer gegenüber ihren Vertretern im Rahmen der rechtmäßigen Erfüllung der Aufgaben dieser Vertreter gemäß dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht, sofern die Offenlegung zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlich war;
- zum Schutz eines durch das Unionsrecht oder das nationale Recht anerkannten legitimen Interesses.
Falls Sie hierzu weitere Informationen wünschen, steht Ihnen unsere Kanzlei jederzeit gerne zur Verfügung.