Unlauterer Wettbewerb in Frankreich: Verunglimpfung („dénigrement“)
Unter einer wettbewerbsrechtlich relevanten Verunglimpfung („dénigrement“) versteht man in Frankreich im Allgemeinen die öffentliche schlechte Darstellung eines Produkts, eines Unternehmens oder der Person eines Konkurrenten, um daraus einen Vorteil zu ziehen.
1. Welche Kritik ist erlaubt, welche verboten?
Negative Kritik kann zu einer Imageschädigung des Konkurrenten führen. Diese Schädigung kann auf unterschiedliche Art und Weise entstehen. Kritik alleine ist generell erlaubt und erfüllt noch nicht zwingend den Tatbestand der Verunglimpfung. Es besteht selbstverständlich ein Recht auf freie Meinungsäußerung in Form von Kritik, wenn diese objektiv, neutral und gerechtfertigt ist. Sie sollte jedoch auf das erforderliche Maß beschränkt sein.
Unter den folgenden Umständen kann eine Verunglimpfung vorliegen, die zu Schadensersatzpflichten führt:
Persönliche Kritik
Einem Geschäftsmann ist es nicht erlaubt, persönliche Informationen über einen anderen preiszugeben, die beispielsweise dessen Religion oder dessen Kunden betreffen. Berufliche Eigenschaften, Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit oder die Glaubwürdigkeit eines Konkurrenten dürfen nicht ohne weiteres in Frage gestellt werden. Diese Art der Kritik kann weiterhin einen strafrechtlich relevanten Eingriff in das Privatleben oder eine Verleumdung darstellen.
Kritik an der Gesellschaftsform oder den Verkaufsmethoden
Die Verkaufsmethoden eines Konkurrenten dürfen zB nicht in der Art und Weise kritisiert werden, dass diesem etwa unterstellt wird, er verwende skrupellose Methoden um rein finanzielle Ziele zu verfolgen, so dass der Eindruck entsteht, dass seine Leistungen von niedriger Qualität sind.
Verkaufsmethoden eines Konkurrenten können aber kritisiert werden, wenn dieser beispielsweise (im Großhandel) gefälschte Schmuckstücke verkauft, um seinen eigenen Verkauf (spezialisierter Einzeljuwelier) zu schützen.
Eigene wirtschaftliche Interessen darf jeder Unternehmer verteidigen. Es kommt jedoch auch in diesem Bereich auf die Art der Kritik an, welche Begriffe verwendet werden, und ob dies gerechtfertigt ist.
Veröffentlichung sonstiger Informationen, um einen Konkurrenten zu schädigen
Einem Konkurrenten ist es beispielsweise nicht erlaubt, Informationen über die bevorstehende Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eines Unternehmens zu veröffentlichen oder andere Informationen zu verbreiten, welche dessen Liquidität in Frage stellen können.
Kritik an Produkten oder Dienstleistungen
Verunglimpfung kann auch die Produkte oder Dienstleistungen eines Konkurrenten betreffen. Beispielsweise durch die Aussage, dass die Produkte eines Konkurrenten veraltet oder mangelhaft seien oder bestimmten Normen nicht entsprächen.
Kritik an der Preisgestaltung
Wenn beispielsweise zur Vermarktung auf der Verpackung eines Käses zu lesen ist „vergleichen Sie die Preise“ und „kaufen Sie ein Qualitätsprodukt billiger“, kann dies einen Fall der Verunglimpfung darstellen.
Kritik auf Basis von Geschäftszahlen
Verunglimpfung kann auch bei Zahlenangaben vorliegen, beispielsweise wenn Zahlen des Konkurrenzunternehmens mit den eigenen verglichen werden. Die Rechtsprechung geht in diesen Fällen meist mit besonderer Härte vor, da Außenstehende leicht davon ausgehen, dass Zahlen einen objektiven Charakter haben und auf den ersten Blick glaubwürdig wirken. Zahlen und Statistiken sind jedoch leicht manipulierbar.
Indirekte Verunglimpfung
Verunglimpfung muss einen oder mehrere Konkurrenten nicht gezielt treffen, es ist auch möglich, dass dies indirekt geschieht. Hierbei reicht es aus, den eigenen Produkten Eigenschaften zuzuschreiben und gleichzeitig allgemein zu unterstellen, dass Produkte der Konkurrenz diese nicht hätten oder ihnen unterlegen wären, z.B. „das einzige…“, „das größte…“ oder auch um Hersteller der Kosmetikbranche zu schädigen: „verlässliche Produkte finden Sie in einer Apotheke“.
Verunglimpfung durch eine verfälschte Selbstdarstellung
Verunglimpfung kann ebenfalls durch eine verfälschte Selbstdarstellung erfolgen, z.B. indem eine Zeitschrift falsche Leserzahlen angibt.
2. In welchen Einzelfällen ist Kritik erlaubt?
Positive Kritik: Schreibt ein Unternehmen sich positive Eigenschaften zu, ist das an und für sich noch kein Merkmal unlauteren Wettbewerbs, denn dies bedeutet nicht, dass eventuell andere Konkurrenzunternehmen diese Eigenschaften nicht auch besäßen. Folgende Aussagen stellen in der Regel keine indirekte Verunglimpfung dar: „ein professioneller Service“, „die Besten“, „die Beliebtesten“ oder „Sicherheit, Kompetenz und Effizienz“. Die folgenden Werbeslogans wurden ebenfalls als rechtmäßig angesehen: „Wer könnte ihren Renault besser instand halten als Renault“ und „Wer könnte ihr Auto besser reparieren als Renault“.
In folgenden Einzelfällen ist Kritik nach der französischen Rechtsprechung ebenfalls erlaubt:
- Ein durch einen Kunden bestellter Installateur kritisiert die vorherigen Reparaturen eines Installateurs der Konkurrenz.
- Ein Verkäufer kann von einem Produkt behaupten, dass dieses besser sei als das eines Konkurrenten, er darf dabei jedoch nicht die geschäftsüblichen Bräuche überschreiten.
- Ein Konkurrent kann die kaufmännischen Methoden eines anderen kritisieren solange dies moderat unter bestimmten Bedingungen und ohne Übertreibung geschieht.
3. Welche Grauzonen bestehen im französischen Wettbewerbsrecht?
Werbung durch Parodie, übertriebene Betonung oder Übertreibung ist ebenfalls möglich, solange diese den durchschnittlichen Konsumenten nicht täuschen kann, z.B. „weißer als weiß“.
Die Unterscheidung zwischen guter und schlechter Kritik ist nicht immer einfach, es gibt jedoch bestimmte Kriterien:
- Unlauterer Wettbewerb liegt vor, wenn die Kritik „systematisch“ geübt wird. Das heißt wenn z.B. ein Produkt wiederholt unrechtmäßig kritisiert wird, weil es veraltet sei.
- Die verwendeten Begriffe müssen moderat bleiben, bei der Bezeichnung eines Weines als „kaum trinkbares Gesöff“ handelt es sich um Verunglimpfung.
Praxishinweis: Eine als Frage formulierte Kritik fällt oftmals nicht unter den Tatbestand der Verunglimpfung.
Humoristischer und polemischer Aspekt einer Kritik: Eine bestimmte Toleranz ist insbesondere im Rahmen der Pressefreiheit gegeben. Im Allgemeinen muss der humoristische Charakter einer Aussage oder Werbung für den durchschnittlichen Leser jedoch eindeutig sein und darf ein bestimmtes Maß nicht überschreiten.
4. Kann der Wahrheitsgehalt einer Kritik eine Verunglimpfung rechtfertigen?
Der Autor einer Verunglimpfung kann sich nicht mit der Begründung rechtfertigen, dass seine Aussagen der Wahrheit entsprechen oder ohnehin allgemein bekannt seien.
Negative Bemerkungen über einen Konkurrenten sind verunglimpfend auch wenn sie wahr sind, anders als dies bei der strafbaren Verleumdung („diffamation“) der Fall ist.
5. Wann kann Verunglimpfung im Rahmen eines Vergleichs vorliegen?
Vergleichende Werbung eines Konkurrenten
Eine vergleichende Werbung muss folgende Kriterien erfüllen, um rechtmäßig zu sein:
- Die Werbung muss nicht zwingend mehrere Produkte oder Dienstleistungen derselben Art vergleichen. Die verglichenen Produkte oder Dienstleistungen müssen jedoch demselben Zweck dienen oder ein gleiches Ziel verfolgen und objektiv vergleichbar sein. Eine oder mehrere Eigenschaften können miteinander verglichen werden.
- Der Vergleich muss objektiv sein, es ist nicht rechtmäßig allein dem beworbenen Produkt Vorteile zuzusprechen, z.B. eine Werbung die nur die Vorteile eines Produkts und die Nachteile des anderen Produkts darstellt.
- Der Vergleich muss grundlegende, nachprüfbare und repräsentative Eigenschaften der Produkte oder Dienstleistungen betreffen. Wird beispielsweise der Preis verglichen, so müssen ebenfalls die jeweiligen Verkaufsbedingungen in den Vergleich mit einbezogen werden.
- Der Vergleich muss objektiv sein, er darf nicht von persönlichen oder kollektiven subjektiven Einflüssen geprägt sein.
- Der Vergleich muss genau sein und darf keine Fehler beinhalten. Die Genauigkeit der Aussagen muss nachweisbar sein.
- Die verglichenen Produkte müssen verfügbar sein.
Hinweis: Die alleinige Aussage „Meine Produkte sind von besserer Qualität als die des Unternehmens X.“ stellt eine Verunglimpfung dar.
Vergleichende Tests, Studien oder Untersuchungen Dritter
Jede unabhängige Person (Verbraucherorganisationen, Meinungsforschungsinstitute, Journalisten etc.) kann vergleichende Studien betreiben und veröffentlichen solange diese objektiv sind und ein Produkt nicht verunglimpfen.
Praxishinweis zur Verwendung von Studien :
Eine französische Verordnung n°2001-741 vom 23.8.2001 (Umsetzung der Richtlinie 97/55/CE vom 6.10.1997), erlaubt es einem Geschäftsmann vergleichende Werbung zu erstellen. Vergleichende Studien einer dritten Person sind dabei grundsätzlich durch das Recht am geistigen Eigentum geschützt.
Solange jedoch kein Fall einer geheimen Absprache („collusion“) vorliegt, ist es einem Unternehmen sehr wohl erlaubt beispielsweise auf Studien hinzuweisen, die seine Produkte mit anderen vergleichen.
6. Welche Sanktionen kann eine Verunglimpfung in Frankreich zur Folge haben?
Im Rahmen des unlauteren Wettbewerbs bestehen generell Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche.
Ein französisches Gericht kann beispielsweise anordnen, eine verunglimpfende, unlautere Werbekampagne zu beenden. Das Gericht kann daneben die Veröffentlichung des Urteils durch die Presse oder auf einer Internet-Website anordnen.
Strafrechtlich kann der Tatbestand der Verleumdung vorliegen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn eine Person betroffen ist, nicht wenn es sich allein um Produkte oder Dienstleistungen handelt.
Der Straftatbestand der Beleidigung kann bei einer Verunglimpfung in Frankreich ebenfalls vorliegen.
Falls Sie hierzu weitere Informationen wünschen, steht Ihnen unsere Kanzlei jederzeit gerne zur Verfügung.