Arbeitsrecht Frankreich: Die Haftung des Arbeitgebers im Fall eines Arbeitsunfalls
Im Fall eines Arbeitsunfalls kann der Arbeitgeber sowohl zivil- als auch strafrechtlich in die Haftung genommen werden.
Was ist das Verfahren, das zur strafrechtlichen Inanspruchnahme des Arbeitgebers führt?
Im Fall eines Arbeitsunfalls kann der Arbeitgeber strafrechtlich in die Haftung genommen werden. Die strafrechtliche Inanspruchnahme des Arbeitgebers kann auf zwei Gründen beruhen:
- Missachtung einer Sicherheitsvorschrift,
- Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit (Körperverletzung) und Lebensgefährdung.
Aus diesem Grund führt die Kriminalpolizei bei einem schweren oder tödlichen Unfall Ermittlungen durch, damit die Staatsanwaltschaft auf dieser Basis darüber entscheiden kann, ob eine Verfolgung angebracht ist oder nicht (Opportunitätsprinzip).
Wie kann sich der Arbeitgeber auf seine strafrechtliche Verteidigung vorbereiten?
Unverzüglich nach dem Unfall muss der Arbeitgeber zunächst die für seine Verteidigung sachdienlichen Unterlagen und Informationen zusammenstellen wie zum Beispiel:
- aktueller Stand der Korrespondenz und der Kontakte mit dem Amts-/Arbeitsarzt, dem CARSAT-Kontrolleur oder CARSAT-Ingenieur zwecks Risikobeurteilung (CARSAT = regionale Versicherungsgesellschaft für Renten und Sicherheit am Arbeitsplatz)
- Nachweise über die von den Arbeitnehmern absolvierten Sicherheitsschulungen,
- Unfallverhütungsplan des Unternehmens: Rechnungen über den Kauf von Material und Arbeitsgeräten,
- usw…
Hinzukommen allgemeinere Unterlagen, die den verschiedenen Behörden im Rahmen des Verfahrens zur Verfügung stehen müssen (z.B.: Personalakte des betroffenen Arbeitnehmers, …).
Die strafrechtliche Verteidigung besteht nach der strafrechtlichen Inanspruchnahme in der Erstellung einer Prozessakte, aus der hervorgeht, dass der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften nachgekommen ist. Auf Grundlage dieser Unterlagen erstellt der Anwalt seinen Schriftsatz.
Mit welchen Sanktionen muss der Arbeitgeber rechnen?
Das französische Arbeitsgesetzbuch sieht im Rahmen der strafrechtlichen Inanspruchnahme wegen Missachtung einer Sicherheitsvorschrift hauptsächlich folgende Sanktionen vor:
Zuwiderhandlung | Strafandrohung |
Unterlassene Eintragung oder fehlende Aktualisierung der Ergebnisse der Risikobewertung | 1 500 € Geldstrafe |
Zurverfügungstellung von Arbeitsmitteln, welche nicht die Sicherheit der Arbeitnehmer gewährleisten | 3 750 € Geldstrafe (ein Jahr Freiheitsstrafe und/oder 9 000 € Geldstrafe bei Rückfälligkeit) |
Inbetriebnahme oder Nutzung von Arbeitsmitteln und Schutzvorrichtungen, die den technischen Planungsvorschriften und Zertifizierungsverfahren nicht genügen | 3 750 € Geldstrafe (ein Jahr Freiheitsstrafe und/oder 9 000 € Geldstrafe bei Rückfälligkeit) |
Die im französischen Strafgesetzbuchbuch im Rahmen einer allgemeinen strafrechtlichen Inanspruchnahme vorgesehenen und potenziell im vorliegenden Fall anwendbaren Sanktionen sind die Folgenden:
Zuwiderhandlung | Strafandrohung |
Einfache Fahrlässigkeit | Vorsätzliche Verletzung einer gesetzlichen Sicherheitsvorschrift oder einer gesetzlichen Sorgfaltspflicht | |
Verursachung einer vollständigen Erwerbsunfähigkeit von mehr als 3 Monaten aufgrund einer Ungeschicklichkeit, Fahrlässigkeit, Unaufmerksamkeit, Nachlässigkeit oder Missachtung einer gesetzlich oder durch Verordnung auferlegten Sicherheitsvorschrift oder Sorgfaltspflicht | 2 Jahre Freiheitsstrafe und 30 000 € Geldstrafe | 3 Jahre Freiheitsstrafe und 45 000 € Geldstrafe |
In welchem Fall kann der Arbeitgeber zivilrechtlich in Anspruch genommen werden?
Der Arbeitgeber kann zivilrechtlich in die Haftung genommen werden, wenn er sich einer unentschuldbaren Fahrlässigkeit schuldig gemacht hat.
Der Begriff „unentschuldbare Fahrlässigkeit“ wird im Gesetz nicht definiert. Es obliegt demzufolge der Rechtsprechung, ihn zu umschreiben.
Aufgrund der von der Rechtsprechung vorgegebenen Definition müssen zur Anerkennung einer unentschuldbaren Fahrlässigkeit mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:
- Verletzung einer Sicherheitsvorschrift;
- Kenntnis von der Gefahr;
- Die Fahrlässigkeit ist eine erforderliche Ursache für den Unfall, jedoch für diesen nicht alleinursächlich.
Was kann das Opfer im Falle der Anerkennung einer unentschuldbaren Fahrlässigkeit des Arbeitgebers beantragen?
- Einerseits eine Zulage zur Pauschalentschädigung durch Erhöhung der Rente für dauerhafte Erwerbsunfähigkeit (diese Erhöhung soll sowohl einen bestrafenden als auch einen entschädigenden Charakter haben).
- Andererseits (ausschließlich vor den Sozialgerichten) die vollständige Wiedergutmachung des erlittenen und durch die Erhöhung nicht abgegoltenen Schadens, entsprechend den Vorschriften des allgemeinen Rechts zur zivilrechtlichen Haftung.
Der Anwendungsbereich kann weitreichend sein: wirtschaftlicher Schaden, Vermögensschaden, physiologischer Schaden, physisches und seelisches Leiden, ästhetischer Schaden, entgangene Lebensfreude, Verlust oder Minderung der Aussichten auf berufliche Beförderung.