Arbeitsrecht in Frankreich: Arbeitnehmerüberlassung innerhalb eines Konzerns
Die spezifische Struktur eines Konzerns als ein Verbund mehrerer Unternehmen begünstigt die Möglichkeit, dass Arbeitnehmer für mehrere Konzerngesellschaften eingesetzt werden können. Die Risiken der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung in Frankreich sollten jedoch nicht unterschätzt werden, denn der Verleih von Arbeitskräften ist in der Praxis oft mit erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten verbunden.
I. Wie kann sich in Frankreich ein neues arbeitsrechtliches Unterordnungsverhältnis bilden?
Das Unterordnungsverhältnis, in welchem sich ein Arbeitnehmer zu seinem Arbeitgeber und anderen Arbeitnehmern der Gesellschaft befindet, wird nach französischem Arbeitsrecht allgemein vom Arbeitsvertrag vorgegeben. Jedoch führt die gemeinsame Beschäftigung von Arbeitnehmern unterschiedlicher Konzerngesellschaften an demselben Arbeitsplatz oft dazu, dass sich die ursprünglich fest definierten Unterordnungsverhältnisse miteinander vermischen und neu herausbilden. So sehen sich die Arbeitnehmer der einen Konzerngesellschaft plötzlich den Arbeitnehmern einer ganz anderen Konzerngesellschaft untergeordnet. Das ist nach französischem Recht insbesondere dann mit Schwierigkeiten verbunden, wenn sich die Zusammenarbeit der Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum erstreckt und sich ihre Beschäftigung nicht unwesentlich voneinander unterscheidet (z.B. hinsichtlich der Vergütung oder den Arbeitsbedingungen).
Eine der grundlegenden Gefahren besteht unter anderem darin, dass die französischen Arbeitnehmer eine Beschäftigung in einem sogenannten Mitarbeitgeberverhältnis geltend machen können, um am Gewinn derjenigen Gesellschaft beteiligt zu werden, der sie sich zugehörig fühlen, obwohl sie ihr Arbeitsverhältnis ursprünglich mit einer anderen Gesellschaft des Konzerns eingegangen sind. Auf diese Weise wird ein zusätzliches Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und der entleihenden Konzerngesellschaft begründet, das bei Vorliegen eines Weisungsverhältnisses durchaus auch von den französischen Gerichten als rechtmäßig angesehen werden kann. Die vorgenannte Problematik der Mitarbeitgeberschaft wird jedoch immer nur dann relevant, wenn die Unterschiede in der Arbeitnehmertätigkeit derart ausgeprägt sind, dass sich der französische Arbeitnehmer auf die vorteilhafteren Leistungen der anderen Konzerngesellschaft beruft oder wenn sich eine der Konzerngesellschaften in Frankreich in Schwierigkeiten befindet (Schließung oder Insolvenz).
Das Risiko der Herausbildung neuer Unterordnungsverhältnisse lässt sich eigentlich nur dadurch begrenzen, dass der Konzern versucht, die Beziehungen zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften zu verfestigen und die Anzahl der Unternehmen auf eine überschaubare Größe zu begrenzen. Dies kann unter anderem durch Unternehmenskooperationen oder den Zusammenschluss einzelner Unternehmen in Frankreich erfolgen (Verschmelzung, teilweise Einbringung von Einlagen). Je weniger Gesellschaften der Konzern hat, desto weniger Unterordnungsverhältnisse bestehen und desto geringer ist das Risiko, dass diese sich nachteilig miteinander vermischen.
II. Der Verleih von Arbeitskräften in Frankreich (prêt de main-d’oeuvre)
Grundsätzlich ist der Verleih von Arbeitnehmern mit der Absicht der Gewinnerzielung in Frankreich verboten, es sei denn, es handelt sich um Zeitarbeitsfirmen.
Eine Überlassung im Rahmen eines Dienstleistungs- oder Unternehmensvertrags kann in Frankreich dann zulässig sein, wenn der entsprechende Vertrag eine Bereitstellung von Arbeitskräften ohne Gewinnerzielungsabsicht beinhaltet. Weiterhin darf den betroffenen Arbeitnehmern kein Schaden entstehen und der Dienstleistungs- oder Unternehmensvertrag darf nicht dazu führen, dass französische gesetzliche Vorschriften, Verordnungen sowie Tarifverträge umgangen werden. Werden diese Voraussetzungen nicht eingehalten, liegt der Straftatbestand einer sogenannten unzulässigen Verschaffung von Arbeitnehmern vor ( „délit de marchandage“).
Ein Verstoß gegen diese Vorschriften kann neben verwaltungsrechtlichen Sanktionen (Verlust von Beschäftigungsbeihilfen und Förderungen zur beruflichen Weiterbildung für eine Dauer von maximal fünf Jahren) und eventuellen zivilrechtlichen Schadensersatzforderungen, eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren sowie eine Geldstrafe in Höhe von 30.000 € für natürliche Personen und in Höhe von 150.000 € für juristische Personen zur Folge haben.
In der juristischen Lehre vertrat man in Frankreich lange Zeit die Auffassung, dass die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung nicht unter vorgenannte Straftaten fällt, da Sie lediglich dazu diene, anfallende Personalkosten zu verrechnen, ohne jedoch Auswirkungen auf die Tätigkeit der Arbeitnehmer zu haben. Insbesondere das Fehlen einer Marge, die die Einsparungen in den Kosten abbildet, verhindere das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht.
Der französische Kassationsgerichtshof hatte zwischenzeitlich jedoch geurteilt, dass der Gewinn sogar in der entleihenden Konzerngesellschaft entstehen und beispielsweise auch in einer dort zunehmenden Flexibilität in der Personalführung liegen kann (Cour de cassation, Urteil vom 18. Mai 2011 (n° 09-69175)). In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Fall hatte die verleihende Konzerngesellschaft keinerlei Gewinn aus der Entleihung erzielt, da das Gehalt der überlassenen Arbeitnehmer der entleihenden Konzerngesellschaft auf den Cent genau in Rechnung gestellt wurde.
Dieses Urteil ist in der französischen Wirtschaft auf heftige Kritik gestoßen, so dass der französische Gesetzgeber sich bemüßigt sah einzugreifen, um rechtssichere Rahmenbedingungen für solche konzerninternen Arbeitnehmerüberlassungen zu schaffen.
In ein Gesetz vom 28. Juli 2011 wurden daraufhin Bestimmungen mit aufgenommen, die den Rahmen des grundsätzlichen Verbots der entgeltlichen Arbeitnehmerüberlassung in Frankreich präzisieren sollen.
Artikel L. 8241-1 des französischen Arbeitsgesetzbuches begrenzt die Weiterberechnung nunmehr
- auf den genauen Wert des an den französischen Arbeitnehmer während der Arbeitsüberlassung überwiesenen Arbeitslohns,
- die darauf anfallenden Sozialabgaben,
- ggfs. im Rahmen der Sozialabgaben anfallende Kosten sowie
- ggfs. dem Arbeitnehmer im Rahmen der Überlassung erstattete berufsbedingte Kosten.
Eine mögliche Weiterberechnung von Verwaltungskosten sieht dieser Artikel nicht vor.
Um den Schutz der Arbeitnehmer zu verstärken, hat der französische Gesetzgeber weiterhin folgende Formalitäten für die Arbeitnehmerüberlassung in einem Konzern festgelegt:
- Abschluss einer Vereinbarung zur Arbeitnehmerüberlassung zwischen der verleihenden und der entleihenden Konzerngesellschaft. Anzugeben sind die Dauer der Überlassung, die Identität des Arbeitnehmers, die Beschäftigungsart sowie die Art der Rechnungstellung bezüglich Gehalt und Abgaben.
- Aufnahme der Arbeitnehmerüberlassung in den Arbeitsvertrag des betreffenden Arbeitnehmers. In einer zusätzlichen Klausel zum Arbeitsvertrag sind die Art der Tätigkeit, die Arbeitszeiten und der genaue Arbeitsplatz in der entleihenden Konzerngesellschaft anzugeben.
- Vorherige Konsultation des Betriebsrates der verleihenden und der entleihenden Gesellschaft