Der französische nationale Tarifvertrag für das Metallgewerbe: Neue Bestimmungen ab dem 1. Januar 2024
Die Tarifpartner der Metallbranche in Frankreich haben entschieden, am 7. Februar 2022 einen einheitlichen nationalen Tarifvertrag für die Metallindustrie zu schließen.
Dieser neue Tarifvertrag tritt am 1. Januar 2024 in Kraft. Er wirddie nationalen Tarifvereinbarungen der Metallindustrie, den Tarifvertrag für Ingenieure und leitende Angestellte der Metallindustrie sowie die regionalen Tarifverträge der Metallindustrie aufheben und ersetzen. (Die Tarifpartner können jedoch entscheiden, einzelne der bislang existierenden Bestimmungen aufrechtzuerhalten).
In unserem Artikel Der französische nationale Tarifvertrag für das Metallgewerbe: Änderung der tariflichen Einstufung ab dem 1. Januar 2024 hatten wir bereits dargestellt, was sich bezüglich der Einstufung (tarifliche Eingruppierung) der Arbeitnehmer in Frankreich ändern wird.
Im Rahmen des vorliegenden Artikels erläutern wir die wichtigsten Änderungen (mit Ausnahme der Einstufung: siehe hierzu vorhergehender Absatz), die dieser einheitliche nationale Tarifvertrag für die Metallindustrie mit sich bringt und die ab dem 1. Januar 2024 in Kraft treten werden. Diese Änderungen im Metallgewerbe in Frankreich betreffen folgende Punkte:
- Kündigungsfrist
- Kündigungsentschädigung
- Zusätzlicher Urlaub aufgrund der Betriebszugehörigkeit
- Krankheit (Entgeltfortzahlung)
- Betriebszugehörigkeitsprämie
- Tarifvertraglicher Mindestlohn
- Fahrtzeiten
Grundsätzlich wird bei der Eingruppierung der Arbeitnehmer unterschieden zwischen einer Einteilung in Beschäftigungsgruppen (Buchstaben) und in Beschäftigungsklassen (Ziffern).
1. Dauer der Kündigungsfrist
Die Kündigungsfristen betragen ab dem 1. Januar 2024 im Metallgewerbe in Frankreich wie folgt:
Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers | Beschäftigungsgruppe | Alter des Arbeitnehmers | Dauer der Kündigungsfrist |
Weniger als 2 Jahre | Alle Beschäftigungsgruppen | Jedes Alter | 1 Kalendermonat |
Mindestens 2 Jahre | Alle Beschäftigungsgruppen | Jedes Alter | 2 Kalendermonate |
Mindestens 3 Jahre | Beschäftigungsgruppe E | Jedes Alter | 3 Kalendermonate |
Mindestens 3 Jahre | Beschäftigungsgruppen F, G, H und I | Unter 50 Jahre | 3 Kalendermonate |
Mindestens 3 Jahre | Beschäftigungsgruppen F, G, H und I | Ab 50 Jahre und unter 55 Jahre | 4 Kalendermonate |
Mindestens 3 Jahre | Beschäftigungsgruppen F, G, H und I | Ab 55 Jahre | 6 Kalendermonate |
Mindestens 5 Jahre | Beschäftigungsgruppen F, G, H und I | Ab 50 Jahre und unter 55 Jahre | 6 Kalendermonate |
Beispiel
Bislang betrug die Kündigungsfrist eines 55 Jahre alten leitenden Angestellten (cadre) 6 Monate, sobald dieser eine Betriebszugehörigkeit von 1 Jahr erreicht hatte.
Ab dem 1. Januar 2024 muss in diesem Beispiel jedoch eine Betriebszugehörigkeit von 3 Jahren erreicht sein, damit die Kündigungsfrist 6 Monate beträgt.
2. Höhe der Kündigungsentschädigung
Im Rahmen einer arbeitgeberseitigen Kündigung von Arbeitnehmern mit mindestens 8 Monaten Betriebszugehörigkeit wird die Kündigungsentschädigung geschuldet, es sei denn es handelt sich um eine fristlose Kündigung wegen schweren oder arglistigen Verschuldens (faute grave, faute lourde).
2.1. Für die Beschäftigungsgruppen A, B, C, D und E (Status: nichtleitende Angestellte)
Die Kündigungsentschädigung entspricht:
- 1/4 Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit für die Tranche der Betriebszugehörigkeit bis 10 Jahre,
- 1/3 Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit für die Tranche der Betriebszugehörigkeit ab dem 10. Jahr der Betriebszugehörigkeit.
Diese tarifvertragliche Berechnungsformel der tarifvertraglichen Kündigungsentschädigung ist identisch mit der Formel der gesetzlichen Kündigungsentschädigung.
Anmerkung:
Die Kündigungsentschädigung ist „nur einmal“ geschuldet, d. h. der Arbeitnehmer kann nicht die gesetzliche und die tarifvertragliche Kündigungsentschädigung fordern.
2.2. Für die Beschäftigungsgruppen F, G, H und I (Status: leitende Angestellte)
Der Betrag der Entschädigung (ohne Zu- und Abschläge) errechnet sich wie folgt:
Betriebszugehörigkeit | Höhe der Kündigungsentschädigung (1) |
Weniger als 8 Jahre | 1/4 Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit |
Mindestens 8 Jahre | 1/5 Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit bis zu 7 Jahren Betriebszugehörigkeit |
Mindestens 8 Jahre | 3/5 Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit ab 7 Jahren Betriebszugehörigkeit |
Mindestens 8 Jahre | Maximalbetrag: 18 Monatsgehälter |
Für leitende Angestellte (cadres) mit weniger als 8 Jahren Betriebszugehörigkeit entspricht die tarifvertragliche Kündigungsentschädigung der gesetzlichen Kündigungsentschädigung.
Erhöhung der Kündigungsentschädigung für Arbeitnehmer zwischen 50 und 60 Jahren (d. h. ab dem 50. Lebensjahr und vor Erreichen des 60. Lebensjahres), die eine Betriebszugehörigkeit von mindestens fünf Jahren aufweisen:
Minderung der Entschädigung für Arbeitnehmer ab 61 Jahren, falls
- der Arbeitnehmer eine Vollrente bezieht oder
- eine der Zusatzrenten, für die der Arbeitgeber einzahlt, ohne Abschlag aufgelöst wird.
Alter des Arbeitnehmers (1) | Minderung der Entschädigung |
61 Jahre | um 5 % |
62 Jahre | um 10 % |
63 Jahre | um 20 % |
Ab 64 Jahren | um 40 % |
3. Zusätzlicher Urlaub aufgrund der Betriebszugehörigkeit
Alle Arbeitnehmer haben wie folgt Anspruch auf zusätzliche Urlaubstage in Abhängigkeit ihrer Betriebszugehörigkeit:
Betriebszugehörigkeit | Anzahl der zusätzlichen freien (Werk-)Tage (1) |
ab 2 Jahren | 1 Tag bzw. 2 Tage für Arbeitnehmer ab einem Alter von 45 Jahren |
ab 20 Jahren | 3 Tage für Arbeitnehmer ab einem Alter von über 55 Jahren |
Leitenden Angestellten mit Führungsfunktion (cadres dirigeants) und Arbeitnehmern, mit denen eine Jahresarbeitszeitpauschale vereinbart wurde, steht ab einer Betriebszugehörigkeit von einem Jahr 1 zusätzlicher Urlaubstag zu.
4. Krankheit (Entgeltfortzahlung)
Die neuen Regeln zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sind wie folgt:
Voraussetzungen für die Lohnfortzahlung:
- Entschädigung des Arbeitnehmers durch die Sozialversicherung,
- Betriebszugehörigkeit: mindestens 1 Jahr Betriebszugehörigkeit im Falle von Krankheit; mindestens 3 Monate Betriebszugehörigkeit im Falle eines Arbeitsunfalls/ einer Berufskrankheit.
Beginn der Entschädigung:
- im Falle von Krankheit ab dem 1. vollständig nicht gearbeiteten Tag oder ab einem nicht arbeitsbedingten Unfall,
- im Falle eines Arbeitsunfalls/einer Berufskrankheit ab dem 1. Tag der Abwesenheit.
Dauer und Höhe der Entschädigung:
Bei längerer oder wiederholter Abwesenheit, die eine endgültige Ersetzung des Arbeitnehmers erforderlich macht, wird die tarifvertragliche Kündigungsentschädigung (vgl. oben 2.) um 50 % erhöht, falls die Kündigung vor Ablauf der nachstehenden (durchgehenden oder nicht durchgehenden) Abwesenheitsdauern erfolgt:
Betriebszugehörigkeit (1) | Abwesenheitsdauer (2) |
ab 1 Jahr | 2 Monate |
ab 5 Jahren | 4 Monate |
ab 10 Jahren | 6 Monate |
5. Betriebszugehörigkeitsprämie
Für Arbeitnehmer, die als nichtleitende Angestellte zu den Beschäftigungsgruppen A bis E gehören und eine Betriebszugehörigkeit von mindestens 3 Jahren aufweisen, wird eine Betriebszugehörigkeitsprämie geschuldet.
Der Tarifvertrag weist jeder Beschäftigungsklasse (classe d’emplois) (vgl. Artikel Der französische nationale Tarifvertrag für das Metallgewerbe: Änderung der tariflichen Einstufung ab dem 1. Januar 2024) zunächst einen der folgenden Prozentsätze zu:
Beschäftigungsklasse | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 |
Satz | 1,45 % | 1,60 % | 1,75 % | 1,95 % | 2,20 % | 2,45 % | 2,60 % | 2,90 % | 3,30 % | 3,80 % |
Die Formel für die Berechnung der Betriebszugehörigkeitsprämie lautet dann wie folgt:
[(Referenzwert x Satz) x 100] x Anzahl der Betriebszugehörigkeitsjahre
Beispiel
Ein Arbeitnehmer mit 8 Jahren Betriebszugehörigkeit besetzt eine Stelle der Klasse A1, deren Referenzwert in seiner Region 5 € beträgt. Die Formel für die Berechnung der Betriebszugehörigkeit wird dann wie folgt angewendet: [(5 € × 1,45 %) × 100] × 8 = 58 € brutto monatlich bei einer Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche.
Der Referenzwert (valeur du point) wird jeweils auf regionaler Ebene oder für einzelne Aktivitäten ausgehandelt. Liegt am 1. Januar 2024 keine regionale Vereinbarung vor, die den Referenzwert festlegt, gilt der für das betreffende Gebiet zuletzt ausgehandelte Referenzwert.
6. Tarifvertraglicher Mindestlohn
Eine der großen Neuerungen des einheitlichen nationalen Tarifvertrags für die Metallindustrie in Frankreich ist die Einführung einer Mindestlohntabelle auf nationaler Ebene.
Bei einer Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche betragen die tarifvertraglichen Mindestlöhne im Metallgewerbe in Frankreich ab dem 1. Januar 2024 wie folgt:
Beschäftigungsgruppe | Beschäftigungsklasse | Mindestlohn ab 1.1.2024 (Brutto pro Jahr) |
A | 1 | 19.420 € |
A | 2 | 19.700 € |
B | 3 | 20.300 € |
B | 4 | 21.200 € |
C | 5 | 22.300 € |
C | 6 | 23.500 € |
D | 7 | 24.400 € |
D | 8 | 26.400 € |
E | 9 | 28.400 € |
E | 10 | 31.400 € |
F | 11 | 32.500 € |
F | 12 | 34.300 € |
G | 13 | 37.400 € |
G | 14 | 41.000 € |
H | 15 | 44.000 € |
H | 16 | 49.000 € |
I | 17 | 56.000 € |
I | 18 | 64.500 € |
Für Unternehmen mit mehr als 150 Arbeitnehmern sind diese Mindestlöhne zwingend.
Während der ersten sechs Jahre der Tätigkeit (Berufsanfänger, die zur Gruppe F gehören) wird diese Tabelle angepasst: Nach 2 Jahren der Betriebszugehörigkeit werden die Beträge um 4 % erhöht, nach 4 Jahren Betriebszugehörigkeit schließlich noch einmal um 8 %.
Die angepasste Tabelle für 2024 lautet wie folgt (auf der Grundlage einer 35-Stunden-Woche):
Betriebszugehörigkeit | Betriebszugehörigkeit | Betriebszugehörigkeit | |
Beschäftigungsklasse | Weniger als 2 Jahre | Mindestens 2 Jahre aber weniger als 4 Jahre | Mindestens 4 Jahre und bis zum vollendeten 6. Jahr |
11 | 26.500 € | 27.560 € | 29.765 € |
12 | 28.000 € | 29.120 € | 31.450 € |
Falls ein Unternehmen mit bis zu 150 Arbeitnehmern feststellt, dass die Anwendung der einheitlichen Mindestlohntabelle vom 1. Januar 2024 zu einer Erhöhung der kumulierten Bruttojahresvergütungen des gesamten Personals um mehr als 5 % für mindestens 25 % seiner Belegschaft führen würde, können für dieses Unternehmen Übergangsbestimmungen angewendet werden.
7. Fahrtzeiten
Der einheitliche Tarifvertrag für die Metallindustrie in Frankreich bestimmt hinsichtlich der Fahrtzeiten folgende besondere Regeln:
7.1. Fahrtzeiten (Regel nicht anwendbar bei einer vereinbarten Jahresarbeitszeitpauschale; siehe hierzu nachfolgenden Punkt 7.2)
Wenn die Fahrtzeit zwischen dem Wohnort und dem gewöhnlichen Arbeitsplatz überschritten wird (beurteilt im Laufe eines jeden Tages), hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Gegenleistung, die wie folgt je nach Fahrtzeit festgelegt wird:
- bis zu 30 Minuten Fahrtzeit:
Der Arbeitgeber bestimmt die Gegenleistung einseitig.
- ab 30 Minuten Fahrtzeit am Tag:
Die über 30 Minuten Fahrtzeit hinausgehende Zeit wird auf der Grundlage des für den Arbeitnehmer geltenden tarifvertraglichen Mindestlohns entschädigt, d. h. als hätte der Arbeitnehmer in dieser Zeit zum tarifvertraglichen Mindestlohn gearbeitet. Auf Initiative des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers (mit Zustimmung des Arbeitgebers) kann die Gegenleistung in eine gleichwertige Ruhezeit umgewandelt werden. Diese Ruhezeit kann binnen eines Zeitraums von 12 Kalendermonaten in zusammenhängender Form gewährt werden).
7.2. Fahrtzeiten von Arbeitnehmern mit einer Jahresarbeitszeitpauschale in Tagen
Wenn der Arbeitnehmer an einem Tag, der kein Arbeitstag ist, eine Fahrt vornehmen muss, wird eine finanzielle Gegenleistung ausgezahlt, die wie folgt für jedes Quartal festgelegt wird:
- weniger als 3 Fahrten an einem Ruhetag im Laufe des Quartals:
Das Unternehmen bestimmt die Gegenleistung einseitig.
- mehr als 3 Fahrten an einem Ruhetag im Laufe des Quartals:
Die gewährte Gegenleistung muss mindestens dem Wert eines Tagesgehalts entsprechen. Auf Initiative des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers (mit Zustimmung des Arbeitgebers) kann diese Gegenleistung in eine gleichwertige Ruhezeit umgewandelt werden. Diese Ruhezeit kann binnen eines Zeitraums von 12 Kalendermonaten in zusammenhängender Form gewährt werden).
7.3. Fahrtzeiten von Außendienstmitarbeitern (bei Abrechnung der Arbeitszeit in Stunden)
Wenn sich die tägliche Fahrtzeit außerhalb der tatsächlichen Arbeitszeit befindet, erhält der Arbeitnehmer eine Gegenleistung, die wie folgt je nach Fahrtzeit festgelegt wird:
- Fahrtzeit (Hin- und Rückfahrt) über 1,5 Std. und unter 2,5 Std.:
Die Zeit ist auf der Grundlage des für den Arbeitnehmer geltenden tarifvertraglichen Mindestlohns zu entschädigen.
- Fahrtzeit (Hin- und Rückfahrt) über 2,5 Std.:
Die Zeit wird auf der Grundlage des Basisstundenlohns des Arbeitnehmers entschädigt und kann auf Initiative des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers (mit Zustimmung des Arbeitgebers) in eine gleichwertige Ruhezeit umgewandelt werden. Diese Ruhezeit kann innerhalb eines Zeitraums von 12 Kalendermonaten in zusammenhängender Form gewährt werden).
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