Dienstreisezeit und effektive Arbeitszeit
In einem Urteil des französischen Kassationsgerichts vom 13. März 2024 musste beurteilt werden, ob die Zeit, die ein Arbeitnehmer auf Geschäftsreisen verbringt, als effektive Arbeitszeit gilt, wenn er für seine Kollegen erreichbar bleibt. (Ref. Des Urteils: Cass. soc. 13.03.2024 Nr. 22-11.708)
Das Kassationsgericht hat diese Frage verneint: Die Tatsache, dass der Arbeitnehmer während der Reisezeit erreichbar ist, reicht nicht aus, um eine tatsächliche Arbeitszeit zu charakterisieren.
Umstände der Angelegenheit:
Ein Arbeitnehmer beantragte die Auszahlung von Überstunden mit der Begründung, dass seine Geschäftsreisen ins Ausland und die damit verbundenen Reisezeiten effektive Arbeitszeit darstellten.
Als Beweis legte er eine Übersichtstabelle vor, in der die Reisen aufgeführt waren, und drei Kollegen bezeugten, dass er während der Auslandsreisen verfügbar war.
Das Berufungsgericht gab dem Antrag des Arbeitnehmers mit der Begründung statt, dass aus den vorgelegten Bescheinigungen hervorging, dass der Kläger während seiner Reisezeit für seine Mitarbeiter erreichbar war und diese sich mit ihm in Verbindung setzen konnten.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts sei die Erreichbarkeit für Kollegen und Arbeitgeber ein Merkmal effektiver Arbeitszeit.
Das Kassationsgericht war anderer Ansicht und hob das Urteil des Berufungsgerichts auf.
Definition der effektiven Arbeitszeit:
Das Kassationsgericht erinnert zunächst daran, dass die effektive Arbeitszeit als "die Zeit, während der der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und dessen Weisungen Folge zu leisten hat, ohne frei seinen persönlichen Tätigkeiten nachgehen zu können" definiert ist (Artikel L.3121-1 des franz. Arbeitsgesetzbuches).
Diese Definition ermöglicht es, die effektive Arbeitszeit von anderen Zeiten während des Arbeitstages zu unterscheiden, wie z.B. Pausen- und Ruhezeiten, übliche Reisezeiten usw.
Das Kassationsgericht erinnert daran, dass gemäß Artikel L.3121-4 des Arbeitsgesetzbuches "die für den Weg zum Ort der Ausführung des Arbeitsvertrags erforderliche Zeit keine tatsächliche Arbeitszeit ist. Wenn sie jedoch die normale Fahrzeit zwischen Wohnort und üblichem Arbeitsort überschreitet, ist sie Gegenstand eines Ausgleichs, der entweder in Form von Ruhezeiten oder in finanzieller Form gewährt wird. Dieser Ausgleich wird durch einen Tarifvertrag oder eine Kollektivvereinbarung oder, in Ermangelung eines solchen, durch eine einseitige Entscheidung des Arbeitgebers nach Anhörung des Betriebsrats oder der Personalvertretung, sofern ein solcher besteht, festgelegt. Der Teil der Reisezeit, der auf die Arbeitszeit fällt, darf nicht zu einem Lohnverlust führen“.
Das Kassationsgericht entschied, dass die Angaben des Arbeitnehmers nicht ausreichten, um eine effektive Arbeitszeit nachzuweisen.
In concreto Beurteilung:
Um zu beurteilen, ob die während einer Dienstreise verbrachte Reisezeit als effektive Arbeitszeit angesehen werden kann, verlangt das Kassationsgericht eine in concreto Beurteilung der Situation des Arbeitnehmers während dieser Reisezeit.
Mit anderen Worten, der Richter muss prüfen, ob die in Artikel L.3121-1 des Arbeitsgesetzbuchs festgelegten Bedingungen erfüllt sind. Ist dies nicht der Fall, weist das Gericht den Antrag auf Einstufung als Arbeitszeit zurück.
Zur Veranschaulichung: Das Kassationsgericht hat die Einstufung als effektive Arbeitszeit in folgenden Angelegenheiten abgelehnt:
- bei Dienstreisen ins Ausland, wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass der Arbeitnehmer während dieser Reisen außerhalb der Arbeitszeiten, nicht völlig unabhängig war, da die Entfernung vom Wohnort allein nicht den Schluss zulässt, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ständig zur Verfügung steht und nicht seinen persönlichen Tätigkeiten nachgehen kann (Ref. Des Urteils: Cass. soc., 20.12.2006, Nr. 04-48.525);
- wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Entfernung zwischen den beiden Einsatzorten gezwungen ist, in einem Hotel zu übernachten, ohne dass hinsichtlich der Fahrzeiten zwischen diesen Orten und dem Hotel nachgewiesen wird, dass der Arbeitnehmer während dieser Fahrten den Anweisungen des Arbeitgebers Folge leisten musste und nicht frei seinen persönlichen Tätigkeiten nachgehen konnte (Ref. Des Urteils: Cass. soc., 7.06.2023, Nr. 21-22.445).
Daraus ergibt sich, dass die mit der beruflichen Tätigkeit verbundenen Zwänge an sich nicht die Einstufung als tatsächliche Arbeitszeit rechtfertigen können.
- Gleiches gilt auch für Außendienstmitarbeiter. Der Richter muss die Bedingungen prüfen, unter denen der Arbeitnehmer die Fahrzeit zwischen seinem Wohnort und dem Standort des ersten und letzten Kunden zurücklegt, um festzustellen, ob er während dieser Zeit dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und dessen Anweisungen befolgen muss, ohne seinen persönlichen Tätigkeiten nachgehen zu können (Ref. Der Urteile: Cass. soc., 1.03.2023, Nr. 21-12.068 ; Cass. soc., 7.02.2024, Nr. 22-22.335).
Die Tatsache alleine, während der Reisezeit erreichbar zu sein, reicht somit nicht aus, um eine effektive Arbeitszeit zu charakterisieren.
Unser Arbeitsrechtsteam steht Ihnen bei Fragen zu diesem Thema gerne zur Verfügung.
PDF öffnen Drucken