Entsendung von Arbeitnehmern nach Frankreich – Erleichterungen für Arbeitgeber aus Deutschland/Österreich/Schweiz
Seit dem Gesetz Nr. 2014-790 vom 10. Juli 2014 muss jeder im Ausland niedergelassene Unternehmer vor der Entsendung von Arbeitnehmern nach Frankreich eine Entsendeerklärung an die französische Arbeitsaufsichtsbehörde (inspection du travail) senden und einen Vertreter des Unternehmens für Frankreich benennen, der für die Erfüllung der gesetzlichen Pflichten und die Zusammenarbeit mit den französischen Behörden zuständig ist.
Seit dem Gesetz Nr. 2015-690 vom 6. August 2015 ist der ausländische Unternehmer bzw. sein Vertreter darüber hinaus verpflichtet, der Arbeitsaufsichtsbehörde am Ort der Leistungserbringung geeignete Dokumente in französischer Sprache vorzulegen, die nachweisen, dass das Unternehmen die Entsendungs-Vorschriften korrekt einhält.
Das französische Gesetz „Loi Avenir professionnel“ (Gesetz zur Zukunft der Arbeit) vom 1. August 2018 erleichtert künftig die Entsendung (von Arbeitnehmern nach Frankreich (hierzu nachfolgend: I.). Gleichzeitig wurden die bei Rechtsverstößen drohenden Bußgelder verschärft (hierzu nachfolgend: II.).
Nach Artikel L.1261-3 des französischen Arbeitsgesetzbuchs ist ein entsandter Arbeitnehmer ein Arbeitnehmer, der für einen Arbeitgeber tätig ist, der außerhalb Frankreichs ordentlich niedergelassen und aktiv ist (nachfolgend: ausländischer Arbeitgeber), wobei der Arbeitnehmer für gewöhnlich außerhalb Frankreichs für diesen Arbeitgeber tätig ist und seine Arbeit auf dessen Weisung für einen begrenzten Zeitraum im französischen Staatsgebiet verrichtet.
Diese gesetzliche Definition wurde durch die Reform um das Merkmal „außerhalb Frankreichs“ ergänzt, um klarzustellen, dass nur solche Arbeitnehmer nach Frankreich im Gesetzessinne entsendet werden können, die (bis zu ihrer Entsendung) für gewöhnlich außerhalb Frankreichs tätig sind.
Der ausländische Arbeitgeber bestimmt sich aus französischer Sicht, das heißt dass Arbeitgeber, die ihren Sitz beispielsweise in Deutschland, Österreich oder in der Schweiz haben, in diesem Zusammenhang als ausländische Arbeitgeber gelten.
I. Erleichterungen für ausländische Arbeitgeber
Die Entsendung nach Frankreich wurde für bestimmte ausländische Arbeitgeber erleichtert.
Das Reformgesetz enthält eine Reihe von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Entsendung nach Frankreich. Dadurch sollen einerseits die Formalitäten für Arbeitgeber reduziert und andererseits die Bußgelder wegen Nichteinhaltung der Entsendungs-Vorschriften verschärft werden.
Folgende Erleichterungen für ausländische Arbeitgeber, die eine Entsendung nach Frankreich durchführen möchten, sind in Kraft getreten:
1. Allgemeine Erleichterungen im Verwaltungsverfahren
Um die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Frankreich hoch zu halten, werden nun mit dem neuen Gesetz „Loi Avenir professionnel“ (Gesetz zur Zukunft der Arbeit) vom 1. August 2018 die Verwaltungsformalitäten in bestimmten Fällen gelockert bzw. teilweise sogar abgeschafft.
Der rechtliche Status des entsandten Arbeitnehmers wird durch die aktuelle Gesetzesreform hingegen nicht geändert: Der entsandte Arbeitnehmer genießt nach wie vor alle Arbeitnehmerrechte, die im französischen Arbeitsgesetzbuch (code du travail) in Artikel L. 1262-4 genannt sind (sogenannter „Kernbereich der Arbeitnehmerrechte“) (Beispiele: individuelle und kollektive Rechte; Streikrecht; Nichtdiskriminierung; Mutterschutz; Mindestlohn; Höchstarbeitszeiten; Recht auf Ruhezeiten und bezahlten Urlaub; Hygiene und Sicherheit etc.).
Dies bedeutet, dass der im Ausland niedergelassene Arbeitgeber weiterhin zur Einhaltung dieser Pflichten nach französischem Recht verpflichtet ist und bleibt.
2. Besondere Erleichterungen im Verwaltungsverfahren
Für ausländische Arbeitgeber, bei denen besondere Fallkonstellationen vorliegen, wurden daneben einige besondere Erleichterungen der Verwaltungsformalitäten bestimmt.
Dabei geht es um folgende 3 Fallkonstellationen:
- Bei wiederholten Entsendungen durch denselben Arbeitgeber
Die zuständige französische Verwaltungsbehörde (DIRECCTE) kann, auf Antrag eines ausländischen Arbeitgebers, der wiederholt Arbeitnehmer nach Frankreich entsendet, die behördlichen Pflichten dieses Arbeitgebers anpassen, falls der Arbeitgeber die Einhaltung des „Kernbereichs der Arbeitnehmerrechte“ (Artikel L. 1262-4 des französischen Arbeitsgesetzbuchs; code du travail) der nach Frankreich entsendeten Arbeitnehmer gewährleistet (Artikel L. 1263-8 Absatz 1 neue Fassung des französischen Arbeitsgesetzbuchs; code du travail).
Diese Anpassungen (= Erleichterungen zugunsten des Arbeitgebers) können für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr gewährt werden. Dieser Zeitraum kann auf Antrag auch verlängert werden (Artikel L. 1263-8 Absätze 2 und 5 neue Fassung des französischen Arbeitsgesetzbuchs; code du travail).
Während dieser Zeit müssen die betroffenen Arbeitgeber auf eventuelle Rückfragen der Arbeitsbehörde antworten (Artikel L. 1263-8 Absatz 3 neue Fassung des französischen Arbeitsgesetzbuchs; code du travail). Im Falle einer Verletzung der Rechte der entsandten Arbeitnehmer kann die DIRECCTE (zuständige Verwaltungsbehörde in Frankreich) die gewährte Anpassung der behördlichen Pflichten des Arbeitgebers aufheben.
Die Art der möglichen Anpassungen wird noch durch Dekret des Staatsrates (Conseil d’Etat) festgelegt. Das Inkrafttreten der neuen Vorschriften steht daher noch unter dem Vorbehalt der Veröffentlichung dieses Dekrets.
- Bei kurzen Entsendungen oder Entsendungen für bestimmte Tätigkeiten
Die vorherige Entsendeerklärung und die Ernennung eines Vertreters auf französischem Staatsgebiet sind nicht mehr erforderlich für Unternehmen, die einen oder mehrere Arbeitnehmer nach Frankreich entsenden, die eine oder mehrere der Tätigkeiten ausführen, die in einem (noch zu erlassenden) Dekret aufgeführt werden, falls es sich um kurzfristige Dienstleistungen/ Tätigkeiten handelt oder um Dienstleistungen/ Tätigkeiten im Rahmen von außerordentlichen Ereignissen.
Das Dekret wird ferner, für jede in ihm aufgeführte Tätigkeit, die maximal zulässige Dauer der Tätigkeit (binnen eines bestimmten Zeitraums) in Frankreich festlegen.
Es ist ferner vorgesehen, dass in einem noch zu erlassenden Dekret eventuell auch Anpassungen der Pflicht zur Vorlage von Dokumenten in französischer Sprache (im Falle einer Kontrolle durch die Arbeitsaufsichtsbehörde) festgelegt werden. Diese Anpassungen können sich auf die Art der ins Französische zu übersetzenden Dokumente beziehen sowie auf deren Aufbewahrungsmodalitäten in Frankreich.
Das Inkrafttreten der vorgenannten Bestimmungen steht unter dem Vorbehalt der Veröffentlichung der entsprechenden Durchführungsverordnungen.
Diese neuen Vorschriften gelten jedoch nicht für Zeitarbeitsfirmen und Modellagenturen (Artikel L. 1262-7 neue Fassung des französischen Arbeitsgesetzbuchs).
- Bei Entsendungen auf eigene Rechnung/ in eigener Sache
Auch für ausländische Arbeitgeber, die Arbeitnehmer auf eigene Rechnung/ in eigener Sache entsenden, entfällt die Pflicht zur vorherigen Entsendeerklärung und die Pflicht zur Ernennung eines Vertreters auf französischem Staatsgebiet (Artikel L. 1262-3 neue Fassung des französischen Arbeitsgesetzbuchs; code du travail).
Hinweis
Diese Form der Entsendung betrifft insbesondere ausländische Unternehmen, die einen oder mehrere ihrer Mitarbeiter nach Frankreich entsenden, um vorübergehend eine „Mission“ auf eigene Rechnung/ in eigener Sache auszuführen, ohne dass die Entsendung im Zusammenhang mit einem vertrieblichen Vertrag, der mit einem anderen französischen Unternehmen bestünde, im Zusammenhang steht. Beispiele: Entsendung, um neue Märkte zu erschließen bzw. zu sondieren oder um an einem unternehmensinternen Arbeitstreffen in Frankreich teilzunehmen.
Da der Arbeitgeber in diesen Fällen keinen ernannten Vertreter in Frankreich hat, muss er Arbeitsunfälle, die seinen entsandten Arbeitnehmern zustoßen, dem zuständigen Arbeitsinspektor (inspecteur du travail) selbst melden.
II. Neue behördliche Bußgelder bei Verstößen
In der Folge der früheren Gesetzesreformen verschärft die aktuelle Reform erneut die Bußgelder für ausländische Arbeitgeber und auch für französische Auftraggeber, die ihre Pflichten nicht erfüllen.
Durch diese Maßnahme soll, so der französische Gesetzgeber, insbesondere die Abschaffung der Pauschalabgabe, die von ausländischen Dienstleistungserbringern vor jeder Entsendungsmaßnahme nach Frankreich verlangt wurde, ausgeglichen werden.
1. Erhöhung der Bußgeld-Obergrenze
Das Gesetz erhöht die Obergrenze der Bußgelder von 2.000 € auf 4.000 € (erstmaliger Verstoß) bzw. von 4.000 € auf 8.000 € (Wiederholungsfall).
Die Tatbestände, die bei einer Entsendung nach Frankreich unter Bußgeld gestellt sind, sind folgende:
- Personen und Unternehmen, die Arbeitnehmer nach Frankreich entsenden, ohne die erforderlichen Verwaltungsformalitäten zu erfüllen oder die einen vorgefallenen Arbeitsunfall nicht der Arbeitsaufsichtsbehörde (inspection du travail) melden
- Auftraggeber und Bauträger, die ihren Verpflichtungen zur Kontrolle des Auftragnehmers, zur Meldung eines Arbeitsunfalls eines entsandten Arbeitnehmers oder zum Aushang (auf einer Baustelle) der auf entsandte Arbeitnehmer anwendbaren Vorschriften nicht nachkommen.
Darüber hinaus wurde der Zeitraum, innerhalb dessen im Wiederholungsfall das maximal drohende Bußgeld verdoppelt wird, von einem Jahr auf zwei Jahre erhöht, so dass der Zeitraum, während dessen ein doppeltes Bußgeld droht, nun wesentlich länger ist.
2. Maßnahmen zur schnelleren Einziehung der verhängten Geldbußen
Die französische Verwaltung setzt allgemein auf die Wachsamkeit der Auftraggeber und der Bauträger, betreffend die Anzeige von Gesetzesverstößen. Diese Pflicht zur Wachsamkeit ist nun auf die Zahlung von verhängten Geldbußen ausgedehnt worden: So muss der Auftraggeber bzw. der Bauträger, der mit einem im Ausland (z. B. Deutschland) niedergelassenen Dienstleister, der Arbeitnehmer nach Frankreich entsendet, einen Vertrag abschließt, neben der Überprüfung des Bestehens einer Entsendeerklärung und der Ernennung eines Vertreters in Frankreich künftig auch überprüfen, ob sein ausländischer Vertragspartner eventuell in der Vergangenheit verhängte Geldbußen schon gezahlt hat (Artikel L. 1262-4-1 neue Fassung des französischen Arbeitsgesetzbuchs; code du travail).
Diese Pflicht zur Überprüfung der erfolgten Zahlung von bestehenden Geldbußen betrifft die Geldbußen für folgende Verstöße:
- Nichteinhaltung einer von der Arbeitsinspektion angeordneten Aussetzung der Tätigkeit aufgrund einer Verletzung der Rechte, die zum „Kernbereich der Arbeitnehmerrechte“ (vgl. Artikel L. 1262-4 des französischen Arbeitsgesetzbuchs; code du travail) zählen, wenn diese Nichteinhaltung nicht innerhalb einer von der Verwaltung gesetzten Frist in Ordnung gebracht wurde
- Missachtung der Vorschriften betreffend die Entsendung (vorherige Entsendeerklärung; Ernennung eines Vertreters in Frankreich; Meldung des Arbeitsunfalls eines entsandten Arbeitnehmers; Verpflichtung, die erforderlichen Dokumente ins Französische übersetzt für die Arbeitsinspektion vorzuhalten)
- Nichterfüllung der Verpflichtung, auf der Baustelle Informationen über die Entsendungsregeln auszuhängen
- Verletzung der Arbeitnehmerrechte durch den Arbeitgeber unter Verstoß gegen Artikel L. 8115-1 des französischen Arbeitsgesetzbuchs.
Der Umfang der Eingriffsbefugnisse der Arbeitsaufsichtsbehörden (inspections du travail), die bisher nur bei der Verletzung des „Kernbereichs der Arbeitnehmerrechte“ der entsandten Arbeitnehmer relevant waren, wurde nun auch auf die Pflicht zur Zahlung der oben erwähnten Bußgelder ausgedehnt. Das heißt dass die Arbeitsaufsichtsbehörden nun auch bei Nichtzahlung eines verhängten Bußgelds über weitreichende Eingriffsbefugnisse gegen das ausländische Unternehmen verfügen.
Aussetzung der Leistungserbringung bei Nichtzahlung von Geldbußen. Um ausländische Arbeitgeber, die Arbeitnehmer nach Frankreich entsenden, zu einer stringenteren Zahlung verhängter Bußgelder zu bewegen, wird ein spezieller Rechtsrahmen geschaffen, der es den Arbeitsaufsichtsbehörden nun auch ermöglicht, die Tätigkeit des Dienstleisters zu untersagen, und dies ggf. auch bereits vor Aufnahme der Tätigkeit in Frankreich (zum Beispiel: bereits unmittelbar nach dem Eingang der Entsendeerklärung bei der Arbeitsaufsichtsbehörde).
Falls der zuständige Arbeitsaufsichtsbeamte die Nichtzahlung einer verhängten Geldbuße feststellt, verweist er die Angelegenheit an die DIRECCTE (zuständige Arbeitsaufsichtsbehörde in Frankreich), die das betreffende Unternehmen unverzüglich unterrichtet und anordnet, den fälligen Betrag umgehend zu zahlen.
Falls die verhängte Geldbuße nicht vor Beginn der Dienstleistung bezahlt wurde, kann die DIRECCTE, gemäß der konkreten Schwere des Verstoßes, durch begründete Entscheidung die Erbringung der Dienstleistung für einen Zeitraum von 2 Monaten (behördlich verlängerbar) untersagen, wobei die Dienstleistung in jedem Fall dann vor der Begleichung der Geldbuße nicht begonnen werden darf. Die DIRECCTE genehmigt die Dienstleistung wieder, sobald die Geldbuße bezahlt wurde (Artikel L. 1263-4-2 neue Fassung des französischen Arbeitsgesetzbuchs; code du travail).
Die Nichtbeachtung einer Entscheidung der Aussetzung der Dienstleistung wird, falls sich das Unternehmen weigert, das verhängte Bußgeld zu bezahlen, mit einer weiteren Geldbuße geahndet, die bis zu 10.000 € je Arbeitnehmer, der von dem Rechtsverstoß betroffen ist, beträgt (Artikel L. 1263-6 neue Fassung des französischen Arbeitsgesetzbuchs; code du travail).
Im Falle der Aussetzung der Dienstleistung ist das Arbeitsverhältnis der entsandten Arbeitnehmer geschützt: Die Aussetzung der Dienstleistung führt weder zu einer Beendigung, noch zu einer Aussetzung des Arbeitsvertrages und auch nicht zu einem finanziellen Nachteil für die betroffenen Arbeitnehmer (Artikel L. 1263-5 neue Fassung des französischen Arbeitsgesetzbuchs; code du travail).
Abschaffung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels gegen die behördliche Entscheidung. Wie bei anderen Verwaltungs-Geldbußen wird die aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln ausländischer Dienstleistungserbringer gegen Geldbußen, die verhängt wurden wegen der Nichtbefolgung einer Entscheidung über die Aussetzung der Tätigkeit, der Nichtbefolgung der Verwaltungspflichten des ausländischen Dienstleistungserbringers und derjenigen des Auftraggebers oder des Bauherrn, aufgehoben (Artikel L. 1263-6, L. 1264-3 und L. 1264-4 neue Fassung des französischen Arbeitsgesetzbuchs; code du travail).
Hinweis
Weitere Informationen in französischer Sprache zur Entsendung finden sich auch auf der Website des französischen Arbeitsministeriums (https://travail-emploi.gouv.fr/droit-du-travail/detachement-des-salaries/) (auch in deutscher Sprache) und auf dem elektronischen Erklärungsportal Sipsi (Informationssystem über internationale Dienstleistungen; https://www.sipsi.travail.gouv.fr/).