Frankreich: Neue Regelungen zur Entsendung von Arbeitnehmern: Die lang erwartete Vereinfachung der Regeln kommt doch noch nicht
Seit 2014 hat Frankreich seine Rechtsvorschriften zur Entsendung von Arbeitnehmern stetig verschärft. Die zahlreichen Verpflichtungen, die ausländische Arbeitgeber bei der Entsendung von Arbeitnehmern nach Frankreich zu beachten haben, stellen ein Risiko - insbesondere ein finanzielles - für das ausländische Unternehmen dar, wenn es bei seiner vorübergehenden Aktivität in Frankreich diese Vorschriften nicht beachtet.
Die bestehenden Vorschriften werden seit Jahren heftig kritisiert, insbesondere in den Grenzregionen Frankreichs, die von der regelmäßigen Entsendung ganz besonders betroffen sind.
In der Folge hatte der französische Gesetzgeber mit einem Gesetz vom 5. September 2018 die Verpflichtungen im Rahmen einer Entsendung etwas gelockert.
Ein Dekret (Rechtsverordnung) und ein Erlass vom 4. Juni 2019 wurden jüngst verabschiedet, um einige der Bestimmungen zu modifizieren und zu lockern.
1. Befreiung von der Verpflichtung zur vorherigen Entsendeerklärung und zur Bestellung eines Vertreters
Im Rahmen des oben genannten Gesetzes vom 5. September 2018 ist für Dienstleistungen von nur kurzer Dauer und bei nur punktuellen Einsätzen wurde eine Befreiung von der Verpflichtung zur vorherigen Entsendeerklärung und von der Verpflichtung, einen Vertreter zu bestellen, eingefügt. Diese Ausnahmeregelungen gelten jedoch nur für solche entsandte Mitarbeiter, die eine der Tätigkeiten ausführen, die in einem gesonderten Erlass aufgeführt sind.
Dieser Erlass wurde am 4. Juni 2019 verabschiedet.
Somit steht nun fest, für welche entsandten Arbeitnehmer diese Befreiungen gelten, nämlich:
- Künstler, die an nicht mehr als 90 Tagen während 12 aufeinanderfolgenden Monaten in Frankreich tätig sind,
- Sportler, Schiedsrichter, Mitglieder des Sportlerbetreuerteams, offizielle Delegierte, die an der Durchführung oder an der Organisation von Sportveranstaltungen für eine Dauer von nicht mehr als 90 Tagen während 12 aufeinanderfolgenden Monaten beteiligt sind,
- Auszubildende mit Auslandsmobilität, die im Rahmen ihrer Ausbildung vorübergehend in Frankreich arbeiten und deren Anwesenheit 12 aufeinanderfolgende Monate nicht überschreitet (die Anwesenheit des Auszubildenden darf nicht mit der Erbringung der Dienstleistung in Frankreich, an der er sich beteiligt, zusammenhängen),
- Teilnehmer an Symposien, Seminaren, wissenschaftlichen Veranstaltungen; Gastprofessoren und Gastforscher, die Lehrtätigkeiten mit einer Dauer von bis zu 12 aufeinanderfolgenden Monaten ausüben.
Der Abbau der Formalitäten bei Dienstleistungen oder Tätigkeiten von kurzer Dauer hat insgesamt weiterhin einen nur sehr begrenzten Anwendungsbereich, was angesichts der Erwartungen an die Reform recht enttäuschend ist.
Artikel L. 1262-6 des französischen Arbeitsgesetzbuchs besagt, dass der Arbeitnehmer einer der Kategorien angehören muss, die im Erlass genannt sind, damit die Ausnahme für ihn greifen kann. Insbesondere greift die Ausnahmeregelung in der Fallgruppe der Teilnahme an Symposien nur sehr begrenzt, da sie nur für Gastprofessoren und Gastforscher gilt, was in der Praxis nur die wenigsten Fälle betreffen dürfte. Eine vereinfachende Vorzugsregelung für Grenzgänger, die typischerweise regelmäßig zum Arbeiten die Staatsgrenze überqueren, ist hingegen nicht vorgesehen.
Abgesehen von den oben genannten Tätigkeiten sind durch das Gesetz vom 5. September 2018 nur noch folgende Erleichterungen für den Arbeitgeber eingeführt worden:
- Arbeitgeber, die wiederholt Arbeitnehmer nach Frankreich entsenden, können die zuständige Behörde ersuchen, die formalen Verpflichtungen im Rahmen der Entsendung anzupassen (= Lockerung der Formalia), sofern der Arbeitgeber die Einhaltung des sogenannten „harten Kerns“ der Rechte der entsandten Arbeitnehmer garantiert. Diese Lockerungen können für einen Zeitraum von höchstens einem Jahr (auf Antrag verlängerbar) gewährt werden. Eine Rechtsverordnung wird die Art dieser Lockerungen noch genauer bestimmen. Das Inkrafttreten dieser Bestimmung hängt daher noch von der Veröffentlichung dieser Rechtsverordnung ab.
- Arbeitgeber, die Arbeitnehmer auf eigene Rechnung entsenden, ohne dass ein Vertragsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und einem Leistungsempfänger (hier: Kunde des Arbeitgebers in Frankreich) besteht, sind von der Verpflichtung zur vorherigen Entsendeerklärung und zur Bestellung eines Vertreters befreit.
Was aber ist unter einer „Entsendung auf eigene Rechnung“ zu verstehen?
Bei dieser Art der Entsendung besteht gerade kein Vertragsverhältnis zwischen dem ausländischen Arbeitgeber und einem Leistungsempfänger in Frankreich. Bei einer „Entsendung auf eigene Rechnung“ wird die Dienstleistung in Frankreich durch den Arbeitnehmer ausschließlich zu Gunsten seines ausländischen Arbeitgebers erbracht. In diesen Fällen ist also kein Dritter in Frankreich beteiligt.
In den Literatur-Kommentaren zum Inkrafttreten der französischen Gesetze vom 5. September 2018 findet sich hierzu folgende Erläuterung zur „Entsendung auf eigene Rechnung“:
„Diese Art der Entsendung betrifft insbesondere ausländische Gesellschaften, die einen oder mehrere Arbeitnehmer nach Frankreich entsenden, um dort eine vorübergehende Tätigkeit auf eigene Rechnung der Gesellschaft zu verrichten (Beispiele: Erkunden von neuen Märkten, Pflege von Produktionsbeziehungen, Teilnahme an Arbeitsbesprechungen). Ein spezifischer Geschäftsvertrag mit einer anderen, in Frankreich niedergelassenen Gesellschaft zur Erbringung einer bestimmten Dienstleistung besteht nicht."
Daher werden die Fälle, in denen eine Befreiung von den Formalitäten möglich ist, in der Praxis nur selten vorkommen.
2. Weitere Regelungen des Dekrets und des Erlasses vom 4. Juni 2019
2.1. Vereinfachter Inhalt der vorherigen Entsendeerklärung
Ab dem 1. Juli 2019 wird der Inhalt der vorherigen Entsendeerklärung vereinfacht.
Das Dekret führt die Pflicht zur Angabe des Geschlechts der entsandten Arbeitnehmer ein und weist darauf hin, dass die in der Entsendeerklärung genannte Vergütung als tatsächlich während der Entsendung angewandter Stundensatz anzugeben ist. Gleichzeitig wird die Angabe von verpflichtenden Informationen zur Identifizierung des Auftraggebers flexibler gestaltet.
Ferner bestimmt das Dekret, das der Arbeitgeber nun bereits in der Entsendeerklärung einen Vertreter in Frankreich zu bestellen hat, das heißt diese Bestellung muss fortan nicht mehr mittels eines gesonderten schriftlichen Dokuments erfolgen. In der Entsendeerklärung sind insbesondere die E-Mail-Adresse und die Telefonnummer des Vertreters sowie der Ort der Aufbewahrung der mit der Entsendung zusammenhängenden Unterlagen anzugeben.
2.2 Änderung der Sorgfaltspflichten des Auftraggebers
Falls für die Entsendung eine Entsendeerklärung vorab zu erstellen ist, muss der Auftraggeber sicherstellen, dass sein ausländischer Vertragspartner diese Formalität auch erfüllt. Seit dem Gesetz vom 5. September 2018 muss der Auftraggeber auch prüfen, dass sein ausländischer Dienstleister sämtliche Bußgelder, die dieser eventuell noch schuldet, bezahlt hat.
Mit Wirkung zum 1. Juli 2019 wird per Dekret die Liste der Dokumente geändert, die seitens eines Auftraggebers, der einen Vertrag mit einem außerhalb Frankreichs ansässigen Arbeitgeber abschließt, von Letzterem angefordert werden müssen. Vor Beginn einer jeder Entsendung muss der Auftraggeber künftig vom nach Frankreich entsendenden Arbeitgeber die Empfangsbestätigung der über den Online-Service „Sipsi“ abgegebenen Entsendeerklärung (und nicht mehr nur eine einfache Kopie dieser Erklärung) einholen. Er muss auch eine eidesstattliche Erklärung einholen, aus der hervorgeht, dass sein Vertragspartner eventuell ausgesprochene Geldbußen im Zusammenhang mit der Entsendung von Arbeitnehmern vollständig beglichen hat.
Hingegen wurde durch das Dekret die Kopie des Bestellungsaktes zur Bestellung zum Vertreter des Arbeitgebers in Frankreich aus der Liste der erforderlichen Dokumente gestrichen. Dieses Dokument wird fortan nicht mehr gefordert werden, da die Bestellung als Vertreter nunmehr im Rahmen der vorherigen Entsendeerklärung des Arbeitgebers erfolgen wird.
2.3 Festsetzung einer Frist für die Übermittlung von Dokumenten bei einer Kontrolle
Grundsätzlich besteht die Pflicht, dass ein im Ausland niedergelassener Arbeitgeber am Arbeitsort des nach Frankreich entsandten Arbeitnehmers (falls dieser Ort ungeeignet ist: an einem anderen, seinem Vertreter zugänglichen Ort) gewisse Unterlagen aufbewahrt. Diese Unterlagen sind der für den Ort, wo die Dienstleistung erbracht wird, zuständigen Arbeitsaufsichtsbehörde auf Verlangen unverzüglich vorzulegen, damit die wesentlichen Informationen zu den entsandten Arbeitnehmern (z. B. ihre Arbeitserlaubnis oder Lohnzettel) zeitnah von der Behörde überprüft werden können.
Für solche Arbeitnehmer, die nur für einen kurzen Zeitraum entsandt werden und für die die Befreiung von der vorherigen Entsendeerklärung gilt, verfügt der Arbeitgeber über eine Frist von 15 Tagen, um diese Dokumente (ins Französische übersetzt) zu beschaffen und der Arbeitsaufsichtsbehörde vorzulegen. Für Arbeitnehmer, die auf eigene Rechnung entsandt werden und ebenfalls in den Genuss der oben genannten Befreiung kommen, gilt weiterhin der Grundsatz der sofortigen Übermittlung (d. h. hier keine Frist von 15 Tagen). Der Arbeitgeber verfügt nur hinsichtlich einiger dieser Dokumente über eine Frist von 15 Tagen. Diese Regelung gilt ab dem 6. Juni 2019.
Fazit:
Obwohl einige der Formalitäten vereinfacht wurden, kann nicht behauptet werden, dass diese beiden Gesetzestexte die Entsendungsvorschriften erheblich gelockert haben. Sofern keiner der oben genannten Ausnahmefälle – die in der Praxis eher selten vorkommen – vorliegt, bleiben die Formalitäten im Zusammenhang mit der Entsendung von Arbeitnehmern nach Frankreich für ausländische Arbeitgeber – und insbesondere auch für Arbeitgeber im Grenzgebiet, die regelmäßig Arbeitnehmer nach Frankreich entsenden – weitgehend in unverändertem Umfang bestehen.
Stand: 21.06.2019