Französisches Gesellschaftsrecht: Auswirkungen der Schuldrechtsreform auf die Rechtsfähigkeit und die Vertretung von juristischen Personen
Die am 10. Februar 2016 verabschiedete Reform des französischen Schuldrechts, welche am 1. Oktober 2016 in Kraft, tritt, lässt das französische Gesellschaftsrecht nicht unberührt. Unter anderem sind die Vorschriften bezüglich der Rechtsfähigkeit (1.) und der Vertretung (2.) von juristischen Personen in Frankreich betroffen.
1. Die Rechtsfähigkeit von juristischen Personen in Frankreich
Bisher gab es keine besonderen Vorschriften bezüglich der Rechtsfähigkeit von juristischen Personen in Frankreich. Lediglich die juristische Literatur behandelte das sogenannte Prinzip der Spezialität, nach dem eine französische juristische Person nur solche Handlungen vornehmen kann, die ihrem satzungsmäßigen Zweck entsprechen. Dieses Prinzip wurde nun in das französische Zivilgesetzbuch aufgenommen und findet sich ab dem 1. Oktober 2016 in Artikel 1145 des Code civil (französisches Zivilgesetzbuch).
Nach Artikel 1145 (1) des Code civil ist “die Rechtsfähigkeit von juristischen Personen unter Berücksichtigung der für sie jeweils geltenden speziellen Vorschriften, auf Handlungen, die zur Erfüllung des Gesellschaftszwecks nützlich sind und auf Handlungen, die sie ergänzen, begrenzt“. Wird diese Vorschrift nicht beachtet, so führt dies zu einer relativen Nichtigkeit (nullité relative), die nur von der Gesellschaft geltend gemacht werden kann.
(1) Orginalwortlaut des Artikels 1145: « la capacité des personnes morales est limitée aux actes utiles à la réalisation de leur objet tel que défini par leurs statuts et aux actes qui leur sont accessoires, dans le respect des règles applicables à chacune d’entre elles ».
Welche Auswirkungen wird die neue Regelung auf Gesellschaften in Frankreich und ihre Geschäftspartner haben und wie kann sie ausgelegt werden?
Rechtsexperten und die Literatur gehen davon aus, dass unter „Handlungen, die für die Erfüllung des Zwecks nützlich sind“ auch sämtliche Rechtsgeschäfte fallen, die direkt oder indirekt der Erfüllung des Gesellschaftszwecks dienen.
So werden auch Rechtsgeschäfte umfasst, die nicht direkt vom Gesellschaftszweck gedeckt sind.
Beispiel: Ein Hersteller von hochtechnologischen Produkten ist auf der Grundlage von Artikel 1145 des Code civil auch dazu befähigt, Vorkommen von seltenen Metallen, die für die Herstellung seiner Produkte notwendig sind, zu erwerben.
Die Auswirkungen der Reform werden aber insbesondere durch das geltende EU-Recht stark relativiert. Aufgrund der Richtlinie 2009/101 vom 16. September 2009 sind diese Regelungen nämlich nicht auf die Rechtsformen der SARL (Gesellschaft mit beschränkter Haftung französischen Rechts) und der Aktiengesellschaften (SA (Aktiengesellschaft französischen Rechts) und SAS (vereinfachte Aktiengesellschaft französischen Rechts)) anwendbar. Bei SARL, SA und SAS handelt sich um die mit Abstand wirtschaftlich relevantesten Gesellschaftsformen in Frankreich. Nach geltendem EU-Recht werden SARL, SAS und SA auch dann gegenüber Dritten verpflichtet, wenn das Rechtsgeschäft nicht dem Gesellschaftszweck entspricht. Die neue Vorschrift ist insofern nur für Personengesellschaften wie die offene Handelsgesellschaft (SNC), Gesellschaft bürgerlichen Rechts (SC) oder die Kommanditgesellschaft (SCS) wirklich relevant.
2. Die Vertretung von juristischen Personen in Frankreich
Die Schuldrechtsreform hat ebenfalls die französischen Regelungen zur Vertretung eines Vertragspartners reformiert. Die neuen diesbezüglichen Vorschriften werden ab dem 1. Oktober 2016 in den Artikeln 1153 und folgenden des Code civil zu finden sein.
Angesichts der umfassenden Regelungen bezüglich der Vertretung der verschiedenen französischen Gesellschaftstypen im Code de commerce (französisches Handelsgesetzbuch), ist es jedoch kaum wahrscheinlich, dass die Vorschriften des allgemeinen Zivilrechts hier große Bedeutung entfalten werden.
Vor allem für SARL, SA und SAS gilt deshalb weiterhin, dass die Geschäftsführungsorgane (Geschäftsführer / gérant; Präsident / président; Generaldirektor / directeur général usw.) weitreichende Befugnisse haben und die Gesellschaft unter allen Umständen gegenüber Dritten verpflichten können. Und dies gilt selbst dann, wenn das Rechtsgeschäft nicht dem Gesellschaftszweck entspricht, es sei denn, der Dritte hatte Kenntnis hiervon oder musste dies aufgrund der Umstände erkennen.
Abschließend weisen wir noch darauf hin, dass durch die Schuldrechtsreform ein neuer Artikel 1158 (2) in den Code Civil eingeführt wurde, der bestimmt, dass eine Partei bei Zweifeln über die Vollmachten des Vertreters der anderen Partei letztere um eine diesbezügliche schriftliche Bestätigung ersuchen kann.
(2) Orginalwortlaut des Artikels 1158: « Le tiers qui doute de l’étendue du pouvoir dur eprésentant conventionnel à l’occasion d’un acte qu’il s’apprête à conclure, peut demander par écrit au représenté de lui confirmer, dans un dléai qu’il fixe et qui doit être raisonnable, que le représentant est habilité à conclure cet acte. L’écrit mentionne qu’à défaut de réponse dans ce délai, le représentant est réputé habilité à conclure cet acte. »
Falls Sie hierzu weitere Informationen wünschen, steht Ihnen unsere Kanzlei jederzeit gerne zur Verfügung.