Geltendmachung eines Eigentumsvorbehalts im Insolvenzverfahren in Frankreich
Bei Verträgen über den Verkauf beweglicher Sachen zwischen Unternehmen ist die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts in Frankreich genauso wie in Deutschland nicht unüblich.
Die Eigentumsvorbehaltsklausel bewirkt, dass das Eigentum an der verkauften Sache erst nach vollständiger Zahlung des Kaufpreises an den Käufer übergeht.
Es handelt sich also um eine dingliche Sicherheit, die häufig zwischen den Parteien vereinbart und in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen wird.
Nach ständiger Rechtsprechung des obersten französischen Gerichts, des Kassationsgerichtshofes (Cour de cassation), unterliegen bewegliche Sachen (ebenso wie unbewegliche Sachen), unabhängig vom Wohnsitz des Eigentümers, dem Recht des Staates, in dem sich die Sachen aktuell befinden.
Die Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Eigentumsvorbehaltsklauseln in Bezug auf Waren, die nach Frankreich geliefert werden sollen, sind daher nach französischem Recht zu beurteilen.
Denn in einem Streitfall muss der Lieferant der Ware sein vorbehaltenes Eigentumsrecht in Frankreich, wohin die Sache geliefert wurde, geltend machen.
Der vertraglich vereinbarte Eigentumsvorbehalt ist eine Sicherheit, durch die in der Regel die Kaufpreisforderung besichert wird. Bei Übertragung der Kaufpreisforderung an einen Dritten geht sie auf diesen über.
Der vertraglich vereinbarte Eigentumsvorbehalt kann daher als Nebenforderung zur Kaufpreisforderung übertragen werden (z.B. kann er im Rahmen eines Leasingvertrags auf den Leasinggeber übergehen).
Im Gegensatz zur Lösung, die das deutsche Recht mit dem erweiterten Eigentumsvorbehalt zulässt, kann der Eigentumsvorbehalt nach französischem Recht grundsätzlich jedoch nur die Kaufpreisforderung sichern, nicht aber andere Beträge, die der Käufer dem Gläubiger schuldet.
Erweiterte Eigentumsvorbehaltsklauseln sind daher nach französischem Recht nicht geläufig.
Im Folgenden gehen wir auf folgende Punkte ein:
- Voraussetzungen für die Wirksamkeit und die Durchsetzbarkeit einer Eigentumsvorbehaltsklausel im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Frankreich (1.)
- Überblick über die Formvorschriften und Fristen für die Geltendmachung eines Herausgabeanspruchs (2.)
- Wirkungen der Herausgabeklage, sowie Darstellung ihrer Vorteile und Schwierigkeiten (3.)
1. Voraussetzungen für die Wirksamkeit und die Durchsetzbarkeit eines Eigentumsvorbehalts im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Frankreich
a) Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines Eigentumsvorbehalts in Frankreich
Um gegenüber Dritten und damit auch gegenüber den Organen des Insolvenzverfahrens (z.B. Insolvenzverwalter) wirksam zu sein, muss der Eigentumsvorbehalt in Frankreich folgende Voraussetzungen erfüllen. Er muss:
- schriftlich (z.B. Vertrag, AGBs, Auftragsbestätigung, Lieferschein) und
- spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung
vereinbart worden sein.
Dies ergibt sich aus dem Sonderrecht für Insolvenzverfahren und aus Artikel L. 621-122 Absatz 2 des französischen Handelsgesetzbuchs (code de commerce).
Hinsichtlich dieser zweiten Voraussetzung wird aus Beweisgründen dringend empfohlen, die Eigentumsvorbehaltsklausel entweder auf der Auftragsbestätigung oder auf dem Lieferschein zu vermerken.
Eine Eigentumsvorbehaltsklausel, die nur auf der nach der Lieferung ausgestellten Rechnung erscheint, reicht demnach nicht aus, um diese Klausel gegenüber dem Schuldner wirksam werden zu lassen.
Die Klausel muss vom Käufer spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung akzeptiert worden sein.
Wenn der Käufer das Dokument, das die Eigentumsvorbehaltsklausel enthält, unterschreibt, ist diese Voraussetzung natürlich erfüllt.
Es ist jedoch nicht ungewöhnlich, dass eine solche Klausel nur in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist, auf die der Vertrag lediglich verweist.
Diesbezüglich ist zu beachten, dass nach der geltenden Rechtsprechung die Annahme der Eigentumsvorbehaltsklausel durch den Käufer auch stillschweigend erfolgt.
Die stillschweigende Zustimmung des Käufers setzt jedoch voraus, dass er auf das Vorhandensein der Klausel hinreichend hingewiesen wurde.
Es empfiehlt sich daher, sie in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen besonders hervorzuheben (z.B. in einem Kasten oder durch Fettdruck) und in einer für den Käufer einfach verständlichen Weise zu verfassen.
b) Voraussetzungen für die Durchsetzbarkeit eines Eigentumsvorbehalts
Neben den oben genannten formellen Voraussetzungen müssen auch bestimmte praktische Voraussetzungen erfüllt sein, damit der Herausgabeanspruch im Insolvenzverfahren des Schuldners erfolgreich geltend gemacht werden kann.
Die Sache, deren Herausgabe gefordert wird, muss am Tag des Eröffnungsbeschlusses in natura beim Schuldner vorhanden sein.
Dies setzt unter anderem Folgendes voraus:
- Kein Weiterverkauf: Die Sache darf am Tag des Eröffnungsbeschlusses nicht weiterverkauft worden sein.
- Keine wesentliche Verarbeitung: Die Sache darf nicht in einer Weise verarbeitet worden sein, die ihre Merkmale und Eigenschaften verändert (z.B. die Verarbeitung von Häuten oder Wolle zu Kleidungsstücken hindert die Geltendmachung). Andernfalls geht der Herausgabeanspruch unter.
Wenn die Verarbeitung, der die Sache unterzogen wurde, ihre Merkmale und Eigenschaften nicht verändert, aber dennoch einen Mehrwert schafft, muss der Käufer/Schuldner für diesen geschaffenen Mehrwert entschädigt werden (z.B. Holz, das gesägt wurde; Nutztiere, die gemästet wurden, usw.). - Keine Eingliederung: Die Sache darf nicht in eine andere eingegliedert worden sein. Unter Eingliederung ist nach französischem Verständnis Folgendes zu verstehen: Wenn die Sache in der Weise mit einer anderen verbunden wurde, sodass sie nicht mehr entfernt werden kann, ohne ihr selbst oder der Gesamtheit, in die sie eingegliedert wurde, Schaden zuzufügen (Art. L. 621-122 Abs. 3 des französischen Handelsgesetzbuchs (code de commerce)). In diesem Fall geht der Herausgabeanspruch unter.
Sind all diese Negativ-Voraussetzungen erfüllt, so kann ein Herausgabeanspruch in Frankreich im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erfolgreich geltend gemacht werden.
2. Modalitäten der Geltendmachung von Herausgabeansprüchen im Fall einer Insolvenz des Schuldners in Frankreich
a) Adressat des Herausgabeanspruchs in Frankreich
Der Antrag auf Geltendmachung eines Herausgabeanspruchs ist an den Insolvenzverwalter (administrateur judiciaire) oder an den Liquidator (liquidateur judiciaire) (an Letzteren im Rahmen eines insolvenzrechtlichen Liquidationsverfahrens) zu richten.
Wurde kein Insolvenzverwalter bestellt, wie dies bei bestimmten Erhaltungsverfahren (sauvegarde judiciaire) der Fall sein kann, ist der Antrag auf Geltendmachung des Herausgabeanspruchs direkt an den Schuldner zu richten.
b) Formalitäten und Fristen
Der Herausgabeanspruch muss per Einschreiben mit Rückschein geltend gemacht werden.
Der Antrag muss innerhalb von drei Monaten nach der Veröffentlichung des Eröffnungsbeschlusses gestellt werden. Anders als bei der Forderungsanmeldung verfügen Gläubiger mit Wohnsitz im Ausland über keine verlängerte Frist für die Geltendmachung ihrer Ansprüche.
In seinem Antrag muss der Gläubiger nachweisen, dass die Sache (i) unter Eigentumsvorbehalt geliefert wurde und (ii) am Tag des Eröffnungsbeschlusses noch in natura (physisch beim Schuldner) vorhanden war, wobei sich dieser Nachweis in der Praxis als schwierig erweisen kann, wenn der Schuldner kein Bestandsverzeichnis erstellt hat.
Der Insolvenzverwalter bzw. der Liquidator hat nach Eingang des Antrags auf Herausgabe einen Monat Zeit, um darauf zu antworten.
Wird nicht innerhalb der Frist von einem Monat zugestimmt oder wird der Antrag abgelehnt, so muss der Gläubiger, wenn er den Herausgabeanspruch weiter geltend machen möchte, innerhalb einer weiteren Frist von einem Monat beim Insolvenzgericht Klage auf gerichtliche Geltendmachung des Herausgabeanspruchs erheben.
Diese Frist beginnt nach fruchtlosem Verstreichen der Zustimmungsfrist von einem Monat (bei Untätigkeit des Insolvenzorgans) oder mit Zugang der Ablehnung des Antrages.
Diese Klage muss einen Herausgabeantrag enthalten, in französischer Sprache abgefasst sein und grundsätzlich von einem Anwalt eingereicht werden.
Der Insolvenzrichter entscheidet über diesen Antrag innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem er die Stellungnahmen der betroffenen Parteien eingeholt hat.
Gegen die Entscheidung des Insolvenzrichters kann innerhalb von zehn Tagen nach förmlicher Zustellung Berufung beim zuständigen Gericht eingelegt werden (Art. R. 621-21 des französischen Handelsgesetzbuchs (code de commerce)).
3. Wirkungen der gerichtlichen Geltendmachung des Herausgabeanspruchs
Die gerichtliche Geltendmachung eines Herausgabeanspruchs in Frankreich zielt auf die Anerkennung des Eigentumsrechts ab. Auf diesen Anerkennungsbeschluss kann sich der Eigentümer der Ware berufen, um seine Rechte gegenüber dem Insolvenzverwalter bzw. Liquidator durchzusetzen.
Wenn das Gericht das Eigentumsrecht des Antragstellers anerkennt, bzw. bereits der Insolvenzverwalter dem Herausgabeantrag zugestimmt hat, bestehen folgende Möglichkeiten:
Die Wirkungen hängen davon ab, ob das zuständige Organ dem Antrag auf Herausgabe Folge leistet oder ob der Insolvenzrichter oder das Gericht das Eigentumsrecht des Gläubigers an dem beanspruchten Gegenstand feststellt.
Je nach den Interessen des Schuldners existieren folgende Möglichkeiten:
- Die Eigentumsvorbehaltsware wird ausbezahlt, damit der Schuldner sie behalten kann, um seine Geschäftstätigkeit fortsetzen zu können.
- Die Ware wird dem Eigentümer zurückgegeben, entweder sofort oder nach Ablauf des Vertrags, wenn sie Gegenstand eines laufenden Vertrags mit dem Schuldner ist (insbesondere im Rahmen eines Leasingvertrags).
Weiterverkauf der Vorbehaltsware an einen Drittkäufer
Außerdem kommt es in der Praxis oft vor, dass die Eigentumsvorbehaltsware, vom Schuldner im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit, weiterveräußert wurde.
Dann ist die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs erschwert.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann sich der Anspruch in diesem Fall auf den vom Schuldner erzielten Kaufpreis beziehen, zu dem die Ware an den Dritten weiterveräußert wurde.
- Es müssen zunächst alle oben genannten materiellen (Negativ-) Voraussetzungen für die Erhebung einer Herausgabeklage erfüllt sein.
- Außerdem darf der Preis für die Weiterveräußerung vom Drittkäufer nicht bereits vor dem Eröffnungsurteil bezahlt worden sein.
Fazit: Geltendmachung eines Eigentumsvorbehalts in einem Insolvenzverfahren in Frankreich
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Gerne steht unser Team Ihnen zur Verfügung, um Sie bei der Formulierung einer wirksamen Eigentumsvorbehaltsklausel zu unterstützen und Ihre Interessen im Fall einer Geltendmachung der Klausel zu vertreten: welcome@rechtsanwalt.fr
*Wir danken unserer ehemaligen Kollegin Clémentine Paquet, mit der dieser Artikel inhaltlich
während ihrer Zeit in unserer Kanzlei, gemeinsam mit Vanina Vedel, erarbeitet wurde.