Insolvenzgeld in Frankreich – Sicherung der Lohnzahlung in Frankreich bei Insolvenz des Unternehmens
Bei einer Firmeninsolvenz sind die Löhne der in Frankreich tätigen Arbeitnehmer durch die Zahlung eines Insolvenzgelds gesichert. Die hierfür zuständige Vereinigung ist die AGS (Association pour la gestion du régime de garantie des créances des salariés - Vereinigung für die Verwaltung des Fonds für Arbeitnehmerforderungen). Die AGS springt unter bestimmten Voraussetzungen ein, wenn die in Frankreich ausstehenden Löhne und Gehälter durch das insolvente Unternehmen nicht mehr gezahlt werden können. In diesem Fall zahlt die AGS die Lohnforderungen, und zwar auch dann, wenn der Arbeitgeber seine AGS-Beiträge nicht eingezahlt hat.
Kurze Zusammenfassung für Eilige:
Bei der Insolvenz eines Unternehmens, das Arbeitnehmer in Frankreich beschäftigt, zahlt die Insolvenzgeldkasse AGS im Schutzverfahren „sauvegarde“ nur die Abfindungen, die bei Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen (betriebsbedingte Kündigungen in Frankreich) anfallen.
Im gerichtlichen Sanierungsverfahren (redressement judiciaire) und im gerichtlichen Liquidationsverfahren (liquidation judiciaire) garantiert die AGS den Arbeitnehmern bei einer Insolvenz ihres Arbeitgebers grundsätzlich sämtliche Lohnforderungen.
Administrativ läuft es so: Der Insolvenzverwalter legt der AGS ein Gläubiger- und Forderungsverzeichnis (relevé de créances) sowie eine Liste der bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausstehenden Löhne, Gehälter und Abfindungen (indemnités de rupture) vor.
Die AGS zahlt dann an den Insolvenzverwalter die Beträge, die den in Frankreich tätigen Arbeitnehmern des (in Frankreich oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässigen) insolventen Unternehmens zustehen. Der Insolvenzverwalter kümmert sich um die entsprechenden Zahlungen an die einzelnen Arbeitnehmer.
1. AGS-Beiträge des Arbeitgebers
In Frankreich ist die "Assurance Garantie des Salaires" (AGS) eine Versicherung, durch die den Arbeitnehmern die Zahlung ihrer Löhne und Gehälter bei einer Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers (Insolvenzverfahren) garantiert wird.
Das Insolvenzgeld in Frankreich wird durch die arbeitgeberseitigen Sozialabgaben finanziert.
Jeder Arbeitgeber zahlt hierzu (im Rahmen der Abführung der Sozialabgaben) einen AGS-Beitrag in Höhe von 0,25 % (Stand: 1. Juli 2024) der gesamten Bruttolöhne, die er in Frankreich bezahlt, wobei eine Beitragsbemessungsgrenze existiert.
2. Voraussetzungen für den Anspruch des Arbeitnehmers auf Insolvenzgeld in Frankreich
Jeder privatrechtliche Arbeitgeber in Frankreich unterliegt – unabhängig von seiner Rechtsform – dem AGS-System der Garantie der Arbeitnehmerforderungen.
Diese Garantie gilt für alle Arbeitnehmer, die ihre Arbeit für gewöhnlich in Frankreich verrichten und deren Arbeitgeber sich in einem Insolvenzverfahren befindet, selbst wenn sich der Sitz des Arbeitgebers in einem anderen EU-Staat befindet.
Sobald diese Voraussetzung für die Zuständigkeit der AGS gegeben ist, müssen die betroffenen Arbeitnehmer mit dem Insolvenzverwalter des ausländischen Insolvenzverfahrens (z. B. in Deutschland) Kontakt aufnehmen, um ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden und die Einreichung eines Antrags auf Zahlung der Löhne durch die AGS in Frankreich zu ermöglichen.
3. Anwendungsbereich der AGS-Garantie
Der Anspruch auf Insolvenzgeld in Frankreich besteht grundsätzlich unter der Voraussetzung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Arbeitgebers eines in Frankreich tätigen Arbeitnehmers. Dabei ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber seinen Sitz in Frankreich hat oder in einem anderen Land der EU.
Für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Frankreich ist grundsätzlich die Zahlungsunfähigkeit (cessation des paiements) des französischen Unternehmens erforderlich. Bei einem vorinsolvenzlichen Schutzverfahren in Frankreich ist eine Zahlungsunfähigkeit nicht erforderlich – Lesen Sie hierzu gerne unseren Artikel Insolvenz: Alternativen zum Sanierungs- und Liquidationsverfahren in Frankreich).
Die AGS in Frankreich garantiert den Arbeitnehmern grundsätzlich die Zahlung sämtlicher Beträge, die in Erfüllung des Arbeitsvertrags geschuldet sind (Artikel L. 3253-8 ff. des frz. Arbeitsgesetzbuchs), insbesondere:
- Löhne und Lohnnebenkosten (Prämien, Gratifikationen etc.)
- Entschädigungen, die sich aus der Beendigung des Arbeitsvertrages ergeben (Gehalt während der Kündigungsfrist, Urlaubsabgeltung, Kündigungsentschädigung (Abfindung))
- Erfolgsbeteiligungen
- Begleitmaßnahmen gemäß den Plänen zur Wahrung von Arbeitsplätzen (PSE) (Plan social et économique) (Sozialplan in Frankreich)
- Forderungen im Zusammenhang mit dem Vertrag zur Sicherung von Berufskarrieren (CSP) (contrat de sécurisation professionnelle) (Maßnahmen zur Begünstigung der Weiterbeschäftigung)
4. Höchstbetrag der AGS-Garantie (Insolvenzgeld in Frankreich)
Das Insolvenzgeld bei einer Unternehmensinsolvenz in Frankreich ist auf einen Höchstbetrag begrenzt, der in Abhängigkeit der Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers am Tag der Verkündung des Eröffnungsurteils (Insolvenzeröffnung) bestimmt wird.
Die Höchstbeträge des AGS-Geldes (Insolvenzgeld in Frankreich) sind im Jahr 2024 wie folgt (jeweils in Abhängigkeit der Betriebszugehörigkeit (BZ) des Arbeitnehmrs):
BZ weniger als 6 Monate* | BZ 6 Monate bis 2 Jahre* | BZ größer als 2 Jahre* |
Höchstbetrag = 61.824 € | Höchstbetrag = 77.280 € | Höchstbetrag = 92.736 € |
Eine Vergleichsstudie über die europäischen Lohngarantiefonds hat gezeigt, dass das französische Garantiesystem die Arbeitnehmer im europäischen Vergleich am besten schützt.
5. Der Umfang der AGS-Garantie (Insolvenzgeld) unterscheidet sich in Frankreich nach der Art des Insolvenzverfahrens und nach dessen jeweiligem Stadium
Das Insolvenzgeld deckt die Ansprüche des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis, die aufgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners nicht mehr gezahlt werden können, nicht vollumfänglich ab.
Es kommt nämlich darauf an, wann die Forderung des Arbeitnehmers in Frankreich entstanden ist (entscheidende Faktoren: vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens; während der Beobachtungsphase oder während der Sanierung etc.).
Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip greift die AGS-Garantie nur hilfsweise ein, d. h. nur im Notfall. Mit anderen Worten: Die AGS zahlt nur dann an den betroffenen Arbeitnehmer, wenn es keine anderen verfügbaren Mittel im Unternehmen gibt und keine anderen gesetzlichen Regelungen bzw. tarifvertraglichen oder versicherungsmäßigen Vereinbarungen existieren, die eine anderweitige Übernahme der Lohnforderungen ermöglichen.
Nachfolgend möchten wir die Rolle der AGS in den 3 wichtigsten Insolvenzverfahren in Frankreich kurz darstellen:
- Schutzverfahren (procédure de sauvegarde)
Die Eröffnung dieses Verfahrens kann in Frankreich beantragt werden, wenn im Unternehmen Schwierigkeiten bestehen, die das Unternehmen nicht alleine überwinden kann, ohne jedoch dass Zahlungsunfähigkeit vorliegt.
- Die AGS ist in diesem Fall nur für die Absicherung der Abfindungen derjenigen Arbeitnehmer zuständig, denen aus wirtschaftlichen Gründen während des insolvenzrechtlichen Beobachtungszeitraums (Dauer: 6 Monate, einmal verlängerbar) oder in dem der Beendigung des Sicherungsplans folgenden Monat gekündigt wurde.
- Die AGS schießt keine Löhne oder sonstigen Vergütungen vor, die am Tag des Eröffnungsbeschlusses fällig sind. Derartige Vorschüsse leistet die AGS nur bei Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens.
Lesen Sie hier näheres zur procédure de sauvegarde (Schutzverfahren bzw. Erhaltungsverfahren): Insolvenz: Alternativen zum Sanierungs- und Liquidationsverfahren in Frankreich
- Die AGS ist in diesem Fall nur für die Absicherung der Abfindungen derjenigen Arbeitnehmer zuständig, denen aus wirtschaftlichen Gründen während des insolvenzrechtlichen Beobachtungszeitraums (Dauer: 6 Monate, einmal verlängerbar) oder in dem der Beendigung des Sicherungsplans folgenden Monat gekündigt wurde.
- Gerichtliche Sanierung (redressement judiciaire)
- Die AGS garantiert in diesem Fall die Zahlung unbezahlter Lohnforderungen (Löhne, Abfindungen, Gehalt während der Kündigungsfrist etc.), wenn das insolvente Unternehmen nicht über die hierfür nötigen Mittel verfügt (Subsidiaritätsprinzip).
- Die AGS ist dabei für alle Arbeitnehmer zuständig, die im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung einen Arbeitsvertrag haben, inklusive Leiharbeitnehmer, Auszubildende, Expatriates etc.
- Die AGS garantiert in diesem Fall die Zahlung unbezahlter Lohnforderungen (Löhne, Abfindungen, Gehalt während der Kündigungsfrist etc.), wenn das insolvente Unternehmen nicht über die hierfür nötigen Mittel verfügt (Subsidiaritätsprinzip).
- Gerichtliche Liquidation (liquidation judiciaire)
- Die AGS garantiert die gleichen Lohnforderungen wie im gerichtlichen Sanierungsverfahren (redressement judiciaire; siehe obigen Bulletpoint).
- Die Auszahlung erfolgt innerhalb von 15 Tagen nach dem Urteil des zuständigen Gerichts über die Eröffnung des Liquidationsverfahrens (bzw. innerhalb von 21 Tagen nach jenem Urteil im Falle eines Plans zur Wahrung von Arbeitsplätzen – PSE, Sozialplan in Frankreich).
- Die AGS garantiert die gleichen Lohnforderungen wie im gerichtlichen Sanierungsverfahren (redressement judiciaire; siehe obigen Bulletpoint).
Lesen Sie auch diese Artikel:
- Schließung eines Unternehmens in Frankreich – Mit oder ohne Insolvenzverfahren (mit Erklärfilm in deutscher Sprache)
- Kündigung des Arbeitsvertrags mit einem Arbeitnehmer in Frankreich aus wirtschaftlichen Gründen (betriebsbedingte Kündigung)
Unser Arbeitsrechtsteam steht Ihnen bei Fragen zu diesem Thema gerne zur Verfügung.
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