Neuregelungen bei Fernverkäufen ab dem 1. Juli 2021
Die Richtlinien EU/2017/2455 vom 5. Dezember 2017 und EU/2019/1995 vom 21. November 2019 ändern die Umsatzsteuerregelung hinsichtlich der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe von Gegenständen.
Das ursprünglich für den 1. Januar 2021 vorgesehene Inkrafttreten der Neuregelungen wurde auf den 1. Juli 2021 verschoben.
Aus diesem Grund sind für das Jahr 2021 zwei Zeiträume zu unterscheiden:
- Bis zum 30. Juni 2021 bleiben die Umsatzsteuerregeln für die innergemeinschaftlichen Fernverkäufe unverändert;
- Ab dem 1. Juli 2021 gelten neue Regeln für die innergemeinschaftlichen Fernverkäufe von Gegenständen.
Unabhängig vom Zeitraum charakterisiert sich der Begriff „Fernverkauf“ durch die folgenden Punkte:
- Die Lieferung betrifft Gegenstände, die vom Verkäufer oder in dessen Namen an den Käufer versandt oder transportiert werden;
- Der Erwerber ist eine Privatperson (d. h. eine nicht steuerpflichtige natürliche Person) oder eine Person, für die eine Ausnahmeregelung von der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs gilt.
1. Regelung bis zum 30. Juni 2021
Der Fernverkauf ist immer eine auf der Ebene des Verkäufers steuerpflichtige Lieferung.
Der Ort dieser Lieferung unterliegt den folgenden Regeln:
- Bis zu dem länderspezifischen Umsatzschwellenwert gilt der Ort der Lieferung als im Ursprungsstaat der Gegenstände gelegen, so dass die Mehrwertsteuer in diesem Staat erhoben wird;
- Über dem länderspezifischen Umsatzschwellenwert hinaus gilt der Ort der Lieferung als im Zielstaat der Gegenstände gelegen, so dass die Mehrwertsteuer dieses Staates Anwendung findet.
Der Schwellenwert wird für jeden Mitgliedstaat gesondert unter Berücksichtigung des Netto-Betrags der in diesem Staat getätigten Fernverkäufe festgesetzt.
Ist der Umsatzschwellenwert jedoch nicht erreicht, kann der Verkäufer eine Option ausüben, um die Mehrwertsteuer des Zielstaates auf alle Fernverkäufe (unabhängig vom Umsatzschwellenwert) anzuwenden.
1.1. Fernverkauf von Frankreich nach Deutschland
Für Fernverkäufe nach Deutschland gilt bis zum 30.06.2021 eine Lieferschwelle von EUR 100.000.
- Hat der Verkäufer Fernverkäufe nach Deutschland für einen Betrag exklusive Steuer von mehr als EUR 100.000 getätigt, so gilt der Lieferort als im Zielstaat gelegen, nämlich in Deutschland;
- Unterhalb der Lieferschwelle gilt der Ort der Lieferung als in Frankreich gelegen (daher die Anwendung der französischen Mehrwertsteuer). Der Verkäufer kann jedoch eine Option ausüben, um den Ort der Besteuerung seiner Lieferungen in Deutschland unabhängig von der Lieferschwelle festzulegen.
1.2. Fernverkauf von Deutschland nach Frankreich
Für Fernverkäufe nach Frankreich liegt die Lieferschwelle bei EUR 35.000.
- Wenn der Verkäufer bei Fernverkäufen nach Frankreich einen Betrag exklusive Steuer erzielt hat, der über der Lieferschwelle von EUR 35.000 liegt, gilt der Ort der Lieferung als in Frankreich gelegen (daher die Anwendung der französischen Mehrwertsteuer);
- Unterhalb der Lieferschwelle gilt der Ort der Lieferung als in Deutschland gelegen (daher die Anwendung der deutschen Umsatzsteuer). In diesem Fall kann der Verkäufer sich jedoch für eine Besteuerung seiner Lieferungen in Frankreich entscheiden.
2. Regelung ab dem 1. Juli 2021: einheitlicher Schwellenwert von EUR 10.000
Für Fernverkäufe von innergemeinschaftlichen Gegenständen wird der Umsatzschwellenwert auf EU-Ebene harmonisiert und auf EUR 10.000 pro Jahr festgelegt.
Für die Prüfung des Umsatzschwellenwerts ist zusätzlich zum Nettowert der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe der Gesamtwert der elektronischen Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige (auch die Telekommunikations-, Fernseh- und Rundfunkdienstleistungen) zu berücksichtigen.
Ferner ist die neue Lieferschwelle von EUR 10.000 ein Gesamtschwellenwert: Dabei ist der Schwellenwert nicht auf Fernverkäufe in einen bestimmten Mitgliedstaat beschränkt; vielmehr müssen alle genannten Leistungen (Fernverkäufe und elektronische Dienstleistungen) EU-weit bei der Prüfung des Schwellenwerts berücksichtigt werden.
- Wenn der Betrag der vorstehenden Leistungen den Schwellenwert überschreitet, wird davon ausgegangen, dass der Ort der Lieferung dieser Leistungen im Zielmitgliedstaat liegt.
- Unter dem Schwellenwert gilt der Ort der Lieferung als im Ursprungsstaat gelegen. Nichtdestotrotz kann der Verkäufer sich dafür entscheiden, dass der Ort der Leistungserbringung der Zielstaat ist, so dass die Mehrwertsteuer dieses Staates zur Anwendung kommt.
Der Einfachheit halber soll zukünftig eine zentrale Meldung erfolgen, um eine Registrierung der Verkäufer in mehreren Mitgliedsstaaten zu vermeiden.
Praxistipp:
- Bei Überschreitung der oben genannten Umsatzschwellenwerte empfehlen wir Ihnen, Ihre steuerrechtliche Situation unverzüglich zu bereinigen.
- Aus der Praxis ergibt sich, dass spezialisierte – insbesondere deutschsprachige – Einheiten von den Steuerbehörden eingerichtet werden, um die Kontrolle der Unternehmen diesbezüglich zu verstärken.
- Ferner riskieren Unternehmen bei fehlender Bereinigung ihrer steuerrechtlichen Situation Geldstrafen sowie eine nähere Prüfung durch die Steuerverwaltung über das Bestehen einer Betriebsstätte in Frankreich.
Wir können Sie gerne bei der Bereinigung Ihrer steuerrechtlichen Situation unterstützen, sollten bei Ihnen die Umsatzschwellenwerte überschritten werden.
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