Rechtsgeschäfte in der Gründungsphase einer Gesellschaft in Frankreich: Wie wird die Sacheinlage behandelt?
Bereits in der Phase der Gründung einer französischen Gesellschaft werden häufig schon Verträge für diese abgeschlossen, insbesondere vor der Unterzeichnung der Satzung (Gesellschaftsvertrag) und/ oder vor der Eintragung der Gesellschaft ins französische Handelsregister.
Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen sind Rechtsgeschäfte, die vor der Unterzeichnung der Satzung getätigt werden, in der Satzung aufzuführen. Diese Nennung der Rechtsgeschäfte im Gesellschaftsvertrag hat zur Folge, dass die konkret erwähnten Rechtsgeschäfte im Moment der Eintragung der Gesellschaft automatisch auf diese übergehen. Diese Verträge gelten als von der Gesellschaft im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Satzung der Gesellschaft abgeschlossen.
Dieser Grundsatz hat jedoch seine Grenzen, wie ein Urteil des Verwaltungsgerichts Nancy (Rechtssache Nr. 22NC03166) vom 21. Dezember 2023 zeigt:
Ausgangspunkt war dabei eine Streitigkeit zwischen einer französischen GmbH (Société à responsabilité limitée – SARL) und dem französischen Finanzamt.
Es ging dabei um die Befugnis der SARL, in ihrer Eigenschaft als Muttergesellschaft für die Steuerbefreiung von Dividenden zu optieren (gemäß der sog. Mutter-Tochter-Richtlinie). Diese Option setzt u. a. voraus, dass die Muttergesellschaft die Beteiligung an ihrer Tochtergesellschaft für eine Dauer von mindestens zwei Jahren hält.
Vor dem Verwaltungsgericht Nancy machte die frz. SARL (Muttergesellschaft) geltend, dass die zweijährige Haltefrist der Beteiligung an der Tochtergesellschaft abgelaufen sei, da diese Beteiligung bei der Gründung der SARL in deren Satzung als eingebrachte Sacheinlage angegeben war und diese Einlage mehr als zwei Jahre zurücklag.
Das Verwaltungsgericht in Frankreich wies diese Argumentation in seinem Urteil mit folgender Begründung zurück:
Der Mechanismus der Übernahme von Rechtsgeschäften aufgrund deren Aufführung im Gesellschaftsvertrag bezieht sich nur auf Rechtsgeschäfte, die für die in Gründung befindliche Gesellschaft in deren Namen vorgenommen wurden und nicht auf Vorgänge zur Gründung der Gesellschaft selbst. Denn letztere Rechtsgeschäfte (hier: eine Sacheinlage) tätigt der Gründungsgesellschafter in eigenem Namen und auf eigene Rechnung und nicht im Namen und auf Rechnung der Gesellschaft in Gründung.
Die Haltefrist konnte im vorliegenden Fall daher erst ab der Eintragung der SARL im Handelsregister beginnen. Im hier besprochenen Fall lag die Eintragung weniger als zwei Jahre zurück.
Zudem gilt allgemein der Grundsatz, wonach erst die Eintragung der Gesellschaft in Frankreich im Handelsregister die Rechtspersönlichkeit und somit die Fähigkeit verleiht, eigenes Vermögen (hier: Beteiligung an einer Tochtergesellschaft) zu haben. Diese Fähigkeit besteht nicht schon ab der Unterzeichnung der Satzung der Gesellschaft.
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