Coronakrise und Versicherungsdeckung in Frankreich
Decken Versicherungen, die von Unternehmen abgeschlossen wurden, die wirtschaftlichen Verluste, die sie auf Grund der Coronavirus-Pandemie erlitten haben?
Kommt hier möglicherweise die Betriebsausfallsversicherung („assurance pertes d’exploitation“), die von Unternehmen in Frankreich üblicherweise abgeschlossen wird, zum Tragen?
Die Coronakrise hat massive wirtschaftliche Folgen für Unternehmen nach sich gezogen. Die Wirtschaft in Frankreich ist, nicht zuletzt durch die strengen verhängten Ausgangsbeschränkungen und angeordneten Betriebsschließungen in den Monaten März, April und Mai 2020, auch jetzt noch besonders stark betroffen.
Zwar hat die französische Regierung den Unternehmen Hilfspakete in großem Umfang versprochen und teilweise schon zur Verfügung gestellt, doch stellt sich zusätzlich die Frage, ob nicht auch auf Grundlage von abgeschlossenen Versicherungsverträgen Entschädigungen geltend gemacht werden können, um die finanzielle Situation der Unternehmen zu verbessern.
Coronakrise als Naturkatastrophe
Schon zu Beginn der Krise hatten Vertreter insbesondere aus der Gastronomie-Branche gefordert, die Coronakrise zu einer Naturkatastrophe zu erklären, um so ihre Betriebsausfallsversicherung geltend machen zu können.
In der Praxis umfassen in Frankreich fast alle Versicherungsverträge, die von Unternehmen abgeschlossen werden, eine solche Betriebsausfallsversicherung (auf Französisch : « assurance pertes d’exploitation »).
Die Betriebsausfallsversicherung („assurance pertes d’exploitation ») gleicht den Umsatzrückgang des Unternehmens aus. Die Entschädigung, die auf Grundlage der „assurance pertes d’exploitation“ bezahlt wird, soll dem Unternehmen ermöglichen, in die finanzielle Lage versetzt zu werden, in der es gewesen wäre, wenn der Schadensfall nicht eingetreten wäre. Es soll gewährleistet werden, dass das Unternehmen seine Fixkosten trotz Verluste weiterhin decken kann.
Diese Versicherung umfasst von Gesetzes wegen auch die Folgen einer Naturkatastrophe.
Dass die Covid-19-Pandemie als Naturkatastrophe eingestuft werden kann, ist wahrscheinlich. Die Frage, ob die Umsatzrückgänge, die durch diese Pandemie und die angeordneten Lock-down-Maßnahmen ausgelöst wurden, von der Betriebsausfallsversicherung gedeckt sind, stellt sich somit zu Recht. Sie ist für viele Unternehmen, die pandemiebedingt schließen mussten, relevant und existenziell.
Mögliche Geltendmachung der Betriebsausfallversicherung?
In der Praxis wird die Geltendmachung von Versicherungsansprüchen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie aber nicht einfach sein. Das Problem ist folgendes:
In der Regel deckt die Versicherungspolice nur solche Verluste, die sich aus einem Schaden am Versicherungsgut ergeben. Es wird nicht die Tätigkeit selbst des Unternehmens geschützt, sondern seine Betriebsgüter (biens d’exploitation).
Im Zusammenhang mit Covid-19 aber gibt es schlichtweg keinen Schaden am versicherten Eigentum, welcher wiederum zu den Umsatzverlusten geführt hätte.
Die Betriebstätigkeit wurde auf Grund der durch die Regierung angeordneten Maßnahmen unmöglich gemacht bzw. erschwert, aber nicht, weil Betriebsgüter zu Schaden gekommen sind.
Da es keinen Sachschaden gibt, sind auch nicht die Folgen der Pandemie versichert. So werden viele Versicherungsgesellschaften argumentieren, um Versicherungsansprüche abzulehnen. Ob sie mit dieser Argumentation vor den Gerichten durchkommen werden, bleibt abzuwarten.
Aus juristischer Sicht gibt es mehrere Argumente, die den Versicherungsgesellschaften entgegengehalten werden können:
- Auslegung der Versicherungspolice und Vertrauensschutz:
Die Tätigkeit selbst des Unternehmens ist von der Versicherung gedeckt, nicht nur die Sachgüter des Unternehmens. In diesem Vertrauen wurde die Versicherung abgeschlossen. - Kein ausdrücklicher Ausschluss der Folgen einer Pandemie
- Verletzung der Informationspflichten des Versicherers:
Auf die Tatsache, dass dem Umsatzverlust des Unternehmens ein Sachschaden vorgelagert sein muss, wurde nicht ausdrücklich hingewiesen.
Erste Gerichtsentscheidung in Frankreich im Zusammenhang mit Versicherung und Covid-19
Im Übrigen gibt es bereits eine erste Entscheidung im Zusammenhang mit Covid-19, durch welche einem Restaurantbetreiber eine Entschädigung auf Grundlage seiner Betriebsausfallsversicherung zugesprochen wurde (einstweilige Verfügung des Handelsgerichts von Paris vom 22. Mai 2020).
Der Restaurantbetreiber hatte seine Versicherung (AXA France IARD) in Anspruch genommen, um den Umsatzrückgang, den er wegen der Schließung seines Restaurants während der Corona-Krise zu verzeichnen hatte, entschädigt zu bekommen. Er hatte sich hierbei auf eine Klausel in seiner Police berufen, wonach Betriebsverluste im Zusammenhang mit einer behördlich angeordneten Schließung der Gaststätte von der Versicherung gedeckt seien.
Das Handelsgericht von Paris hat diesem Antrag stattgegeben. Bezüglich des ersten Einwands des Versicherers, wonach die Folgen einer Pandemie nicht versicherungsfähig seien, stellte der Richter fest, dass die Police die Folgen einer Pandemie nicht ausdrücklich ausschließe. Insofern greife der Einwand nicht. Des Weiteren sei der Regierungsbeschluss, der die Schließung des Restaurants zur Folge hatte, eine Verwaltungsentscheidung im Sinne der Versicherungspolice. Auch der Einwand des Versicherers, wonach das Restaurant seine Tätigkeit auf einen Lieferservice hätte umstellen können, griff nicht, so dass das Gericht dem Restaurantbetreiber eine Entschädigung zusprach.
Der Versicherer hat ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung eingelegt. Dennoch handelt es sich um einen Präzedenzfall zu Gunsten des Unternehmens, auf den sich viele weitere Unternehmen berufen können.
Praxistipp :
Hat Ihr Unternehmen in Frankreich eine Betriebsausfallversicherung abgeschlossen und sind die Folgen einer Pandemie nicht ausdrücklich ausgeschlossen, so raten wir Ihnen, Ansprüche auf dieser Grundlage geltend zu machen.
Anzumerken ist schließlich, dass einige Versicherer, wie beispielsweise die Versicherungsgesellschaft der Gruppe Crédit Mutuel-CIC, bereits ihre Bereitschaft erklärt haben, Entschädigungen auf Grundlage der Betriebsausfallversicherung im Zusammenhang mit der Covid19-Krise an ihre Versicherten zu bezahlen.
Für weitere Informationen stehen Ihnen unsere deutsch-französischen Rechtsanwälte selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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