Gewerblicher Mietvertrag in Frankreich: Entschädigung des Mieters für die Verletzung seines Rechts auf Weiternutzung der Räumlichkeiten bis zur Zahlung der Räumungsentschädigung durch den Vermieter
Das auf gewerbliche Mietverträge in Frankreich anwendbare Recht bestimmt in Artikel L. 145-28 des französischen Handelsgesetzbuchs (Code de commerce), dass ein gewerblicher Mieter, dem der Vermieter die Verlängerung des Mietvertrags ohne sachlichen Grund verweigert, das Recht hat, solange in den Räumlichkeiten zu bleiben und diese weiter zu nutzen, bis er eine Räumungsentschädigung erhalten hat.
In seiner Entscheidung vom 25. Januar 2023 (französischer Kassationsgerichtshof, 3. Zivilsenat, 25. Januar 2023 - Nr. 21-19.089) hat der französische Kassationsgerichtshof geurteilt, dass ein Mieter, der aufgrund einer Gerichtsentscheidung zur Räumung der Mietsache gezwungen wird, obwohl er noch keine Räumungsentschädigung vom Vermieter erhalten hat, Anspruch auf eine Entschädigung wegen des erlittenen Betriebsverlusts hat, da ihm rechtswidrig das Recht vorenthalten wurde, seine Geschäftstätigkeit in den Räumlichkeiten bis zur Zahlung der Räumungsentschädigung fortzusetzen.
Hierbei stützt sich der französische Kassationsgerichtshof auf Artikel L. 111-10 des französischen Zwangsvollstreckungsgesetzbuchs (Code des procédures civiles d'exécution), der folgende Regelung enthält [nachfolgend: deutsche Übersetzung der Vorschrift]:
„(…) Die Gerichtsentscheidung wird auf Gefahr des Gläubigers weiter betrieben. Falls der Titel nachträglich geändert wird, setzt der Gläubiger den Schuldner durch Naturalrestitution oder durch eine gleichwertige Leistung wieder in seine Rechte ein.“
Gemäß Artikel L. 145-14 und L. 145-28 des französischen Handelsgesetzbuchs (Code de commerce) hat ein Mieter, dem die Verlängerung des gewerblichen Mietvertrags verweigert wurde, so der französische Kassationsgerichtshof, Anspruch auf eine Räumungsentschädigung in Höhe des Schadens, der ihm aufgrund der Nichtverlängerung des gewerblichen Mietvertrags entstanden ist. Ferner darf der Mieter, so die Entscheidung weiter, bis zur Zahlung dieser Entschädigung zu den Bedingungen des abgelaufenen Mietvertrags weiter in den Räumlichkeiten bleiben und diese nutzen.
Der gewerbliche Vermieter darf dem Mieter somit nicht die Entschädigung für entgangene Gewinne, welche der Mieter hätte erwirtschaften können, wenn er weiter in den Räumlichkeiten verblieben wäre, verweigern mit der Begründung, der Mieter sei bereits für den Verlust seines Geschäftsbetriebs im Zeitpunkt der Räumung entschädigt worden. Dies würde einen Verstoß des Vermieters gegen die oben genannten Vorschriften darstellen.
Der französische Kassationsgerichtshof legt somit den Grundsatz fest, dass die Verweigerung der Möglichkeit, bis zur Zahlung der Räumungsentschädigung in den Räumlichkeiten weiter eine gewerbliche Tätigkeit auszuüben, dem Mieter rechtswidrig einen Schaden verursacht, der ein eigener zu ersetzender Schadensposten ist und sich vom Verlust des Geschäftsbetriebs unterscheidet. Die genaue Bezifferung dieses Schadens obliegt dem mit der Sache befassten Gericht.
Leitsatz (nicht amtlich)
Ein Mieter, der seine gewerbliche Aktivität bis zur Zahlung der Räumungsentschädigung nicht fortsetzen durfte, kann – zusätzlich zur Räumungsentschädigung – einen weiteren Schadensersatz vom Vermieter verlangen. In der Regel ist dem Mieter im Rahmen dieses weiteren Schadensersatzes der entgangene Gewinn zu ersetzen.
Für weitere Informationen stehen Ihnen unsere deutsch-französischen Rechtsanwälte selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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