Klausel zur Haftungsbeschränkung auf die Vertragssumme in Frankreich
Durch eine Klausel zur Haftungsbeschränkung kann vertraglich vereinbart werden, dass die Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung oder des Vertrages im Ganzen einen Schadensersatzanspruch auslöst, der auf einen bestimmten Betrag begrenzt ist.
Durch eine solche Begrenzung wird die Vertragspartei, die den Vertragsverstoß begangen hat, ihrerseits geschützt, indem ein eventuell drohender Schadensersatzanspruch im Voraus kalkulierbar wird.
Innerhalb bestimmter Grenzen darf nach französischem Recht die vertragliche Haftung durch eine vertragliche Regelung begrenzt werden. Im Gegensatz dazu kann die zivilrechtlich-deliktische Haftung in Frankreich vertraglich nicht gestaltet, d. h. nicht begrenzt werden.
Diese Möglichkeit der Beschränkung der vertraglichen Haftung ergibt sich im französischen Recht aus der Bestimmung des Artikels 1231-3 des Code civil (frz. Zivilgesetzbuch), der folgenden Wortlaut hat:
[deutsche Übersetzung – Hervorhebung durch die Autorin]
„Der Schuldner ist nur zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, der bei Vertragsschluss vereinbart oder voraussehbar war, es sei denn, die Nichterfüllung beruht auf grober Fahrlässigkeit oder auf Arglist.“
Die Rechtsprechung hat jedoch dieser Möglichkeit, die vertragliche Haftung zu beschränken, eine Grenze gesetzt, indem sie entschieden hat, dass eine haftungsbeschränkende Klausel den Vertrag nicht seines Kerns/ seiner Substanz entkleiden darf, indem der Hauptleistungspflicht einer der Parteien der verpflichtende Charakter genommen wird (Chronopost-Entscheidung, Kassationsgerichtshof für Handelssachen, Urteil vom 22. Oktober 1996, Nr. 93-18.632). Der verpflichtende bzw. zwingende Charakter einer Vertragspflicht ergibt sich in der Praxis meist gerade aufgrund der Androhung einer Haftung für den Fall der Nichterfüllung der Vertragspflicht.
In einer Entscheidung vom 16. Dezember 2021 beurteilte das Berufungsgericht Versailles die Wirksamkeit einer haftungsbeschränkenden Klausel, die die Haftung auf die Vertragssumme beschränkte (Berufungsgericht Versailles, 12. Kammer, Urteil vom 16. Dezember 2021, Nr. 20/00467, SAS Valdelia vs. SAS Alten Systèmes d'information et Réseaux).
Im diesem Rechtsstreit war ein Vertrag über IT-Dienstleistungen geschlossen worden zwischen der Gesellschaft Valdelia (Privatrechtlich organisierte Vereinigung, die die Sammlung und Behandlung von Möbelabfällen in ganz Frankreich durchführt) und der Gesellschaft Alten Systèmes d'Information et Réseau (nachfolgend: Alten SIR; Unternehmen, das in den Bereichen Engineering und Technologieberatung tätig ist).
Dieser Vertrag wurde infolge einer Ausschreibung der Gesellschaft Valdelia zur Modernisierung ihres IT-Systems geschlossen, wobei die Gesellschaft Alten SIR den Zuschlag erhalten hatte.
Im Laufe der Vertragsausführung zeigte sich, dass die Gesellschaft Alten SIR nicht in der Lage war, den Auftrag wie versprochen auszuführen. Da Alten SIR letztlich nicht imstande war, die bestellte Produktlösung zu liefern, schlossen die Parteien einen Vergleich ab, um damit den Vertrag vorzeitig zu beenden und der Gesellschaft Valdelia zu ermöglichen, umgehend eine Ersatzlösung zu finden.
In diesem Zusammenhang machte die Gesellschaft Valdevia Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft Alten SIR geltend. Alten SIR berief sich hiergegen auf die im Vertrag vereinbarte Haftungsbeschränkungsklausel, durch die ein etwaiger geschuldeter Schadensersatz auf den Vertragspreis, nämlich auf 341.920 €, begrenzt war.
Das erstinstanzlich angerufene Gericht entschied, dass die vereinbarte Haftungsbeschränkung, die den kumulierten Gesamtschadensersatz, der Valdelia geschuldet war, auf 100 % der Vertragssumme begrenzte, nicht die wesentliche Verpflichtung aus dem Vertrag aushöhlte bzw. ihrer Substanz beraubte, so dass es die Klausel für wirksam erachtete.
Am 16. Dezember 2021 bestätigte in der zweiten Instanz das Berufungsgericht Versailles dieses Urteil und führte in seiner Entscheidung aus:
„Nur eine haftungsbeschränkende Klausel, die nicht im Einklang mit dem Umfang der wesentlichen Leistungspflicht des Schuldners ist, ist nichtig. Die Klausel zur Beschränkung der Haftung auf die Vertragssumme (hingegen) nimmt der wesentlichen Vertragspflicht nicht ihre gesamte Substanz, da die Vertragssumme ein (den Parteien) bekannter wirtschaftlicher Bezugswert ist, während der potenzielle Schaden stets ungewiss ist“.
Daher ist eine Vertragsklausel, durch die die Haftung der Parteien auf die Vertragssumme beschränkt wird, grundsätzlich zulässig, solange die Klausel die Schadensersatzpflicht nicht derart übermäßig einschränkt, dass eine der Vertragsparteien aufgrund des übertrieben geringen Schadensersatzrisikos ihre Vertragspflichten „nicht mehr ernst nimmt“.
Für weitere Informationen stehen Ihnen unsere deutsch-französischen Rechtsanwälte selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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