Gerichtsverfahren in Frankreich
Themen-Klassiker zum französischen Wirtschaftsrecht
Transkript zum Videobeitrag
Guten Tag, mein Name ist Julien Dupont, ich bin seit zwölf Jahren französischer Anwalt in der Kanzlei EPP Rechtsanwälte Avocats, eine deutsch-französische Anwaltskanzlei mit Standorten in Paris, Straßburg, Bordeaux, Sarreguemines und Baden-Baden.
Ich kümmere mich um die Betreuung von deutschen und österreichischen Mandanten im Rahmen von Gerichtsverfahren in Frankreich. Heute befassen wir uns mit einer einfachen Frage, die aber schwierig zu lösen sein kann: Was ist zu tun, wenn ich eine Ladung vor ein französisches Gericht zugestellt bekomme?
Das heutige Thema lautet: Sie werden vor einem französischen Gericht verklagt. Was ist nun zu beachten?
Die Ladung zum Gerichtstermin
Zunächst sollte man prüfen, ob eine Übersetzung der Ladung ins Deutsche vorliegt. Falls nicht, können Sie die Zustellung innerhalb einer Frist von sieben Tagen anhand des entsprechenden beigefügten Formulars ablehnen. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass die Zustellung insgesamt nichtig ist. Sie kann vielmehr durch eine nochmalige wirksame Zustellung mit Übersetzung geheilt werden.
Die Verfahrensart
Zweitens sollte man prüfen, worum es geht: Handelt es sich um ein Standardverfahren oder ein Eilverfahren (wie ein selbständiges Beweissicherungsverfahren; zum Beispiel: es fällt eine gelieferte Maschine aus und es wird ein Gutachter vom Gericht ernannt, um festzustellen, ob ein Mangel überhaupt vorliegt und um die Ursache des Ausfalls zu ermitteln). Diese Frage ist wichtig, weil die Ladungsfristen sich stark unterscheiden können: Bei einem Eilverfahren sind diese in der Regel sehr kurz.
Es ist ebenfalls wichtig zu wissen, dass die Pflicht, sich von einem Anwalt vertreten zu lassen, vor kurzem erweitert wurde. Diese Pflicht gilt grundsätzlich vor dem Landgericht („Tribunal judiciaire“), aber auch vor anderen Gerichten, bei einem Streitwert von über 10.000 € oder bei einem unbestimmten Streitwert. Hier ist zudem anzumerken, dass die französischen Anwälte nicht bei allen Gerichten zugelassen sind. Oft muss man einen ortsansässigen Anwalt beauftragen, der die Zwischentermine wahrnimmt. Ein Beispiel: Ich, als Straßburger Anwalt, möchte bei einem Verfahren vor dem Landgericht in Toulouse einen Anwalt vor Ort beauftragen. Ich kümmere mich, in Absprache mit dem Mandanten, um die Erstellung der Schriftsätze und um die Strategie, sowie um die Wahrnehmung der mündlichen Verhandlung – in Frankreich wird im Gegensatz zu Deutschland die Angelegenheit tatsächlich plädiert, d. h. mündlich umfassend vorgetragen. Seinerseits nimmt der Anwalt in Toulouse die Zwischentermine wahr und führt die Korrespondenz mit dem Gericht und mit der Gegenseite. Er berechnet in der Regel für diese Tätigkeit eine Pauschale in Höhe von etwa 800 €.
Eine Empfehlung: Das frühzeitige Handeln
Als dritten Punkt habe ich einen grundlegenden Hinweis. Es ist sehr wichtig, am Verfahren mitzuwirken. Das gilt sowohl im selbstständigen Beweissicherungsverfahren als auch in der Hauptsache. Manchmal beauftragen Mandanten unsere Kanzlei erst nach Abgabe des Vorberichts des gerichtlichen Sachverständigen. Das ist eher schade, da es dann viel schwieriger wird, im Nachhinein Einfluss auf das Verfahren und die zukünftige Gerichtsentscheidung zu nehmen.
Andere Mandanten wiederum beauftragen uns erst nach Erlass eines Urteils und vertrauen darauf, dass man die Situation im Berufungsverfahren wiedergutmachen kann. Durch zahlreiche Gesetzesreformen wurde das Berufungsverfahren in Frankreich jedoch so sehr verändert, dass die Berufung ihre Attraktivität verloren hat. Seit Januar 2020 ergehen sämtliche Urteile erster Instanz mit vorläufiger Vollstreckbarkeit, sodass Sie – als vom Gericht verurteilte Partei – zunächst auf die Verurteilung zahlen müssen, bevor sie überhaupt mit der Berufung weitermachen dürfen. Das kann in vielen Fällen wirtschaftlich problematisch werden.
Der einvernehmliche Vergleich
Der vierte Punkt ist recht interessant und beruht auf der Tatsache, dass es in Frankreich immer möglich ist, im Laufe des Verfahrens mit der Gegenseite eine einvernehmliche Lösung (Vergleich) zu finden. Ein Vorteil des französischen anwaltlichen Standesrechts besteht dabei in der Vertraulichkeit der Korrespondenz zwischen Anwälten, was die Unterzeichnung eines Vergleichs in der Regel fördert. Die Vertraulichkeit bedeutet konkret, dass ich im Gegensatz zur Rechtslage in Deutschland keine Kopie des Schreibens des gegnerischen Anwalts an meine Mandanten weiterleiten darf, sondern den Mandanten nur dessen Inhalt darstellen und erläutern darf.
Die Anwaltskosten
Schließlich kommt ein für den Mandanten wirtschaftlich relevanter Punkt: Wieviel kostet ein Anwalt? Die Anwaltshonorare sind in Frankreich frei, sie können in Form eines Stundensatzes oder einer Pauschale vereinbart werden. Sie können auch in Form eines Stundensatzes oder einer Pauschale verknüpft mit einem Erfolgshonorar vereinbart werden. Diesen Punkt sollten Sie auf jeden Fall mit Ihrem Anwalt besprechen und vorab klären. Hier ist zudem anzumerken, dass die Gerichtskosten in Frankreich sehr niedrig, ja fast unbedeutend, sind. Hingegen tragen die Mandanten in der Regel ihre eigenen Anwaltskosten selbst, da es hier keinen Kostenfestsetzungsbeschluss wie in Deutschland gibt. Das heißt: Die unterlegene Partei trägt nicht die gesamten Anwaltskosten der Gegenseite.
Man beantragt in Frankreich grundsätzlich als Entschädigung für die eigenen Rechtsverfolgungskosten eine pauschale Summe, ohne Nachweise. Über diesen Antrag entscheidet der Richter im eigenen Ermessen und oft werden nur Entschädigungen in Höhe von 1.000 € bis 2.000 € gewährt, was die Kosten des Anwalts in der Regel nicht deckt.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass diese kurzen Hinweise Ihnen weiterhelfen werden. Es gibt natürlich noch viel mehr über Prozesse in Frankreich zu sagen, aber ich denke, dass Sie mit diesen allgemeinen Informationen zum Zugang einer Ladung vor ein französisches Gericht über das Grundrüstzeug verfügen, um sinnvoll reagieren zu können.
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Julien Dupont